Drei Eichen (German Edition)
er nur ein Satellitentelefon für Notfälle, das er nur ein Mal im Monat einschaltete. Und das eigentlich auch nur, um sich zu vergewissern, ob es noch funktionierte. Er hatte kein Telefonnetz, keinen E-Mail-Anschluss und auch keine Postadresse. Offiziell gab es Byron Gray gar nicht. Alles lief über Ewan Macfain. Wenn irgendetwas postalisch, elektronisch oder sonst wie zu ihm geschickt wurde, brachte ihm Macfain die Nachricht persönlich vorbei. Und zwar, ohne Fragen zu stellen. Er wusste nur, wie man Mails ausdruckte und Druckertinte nachfüllen konnte. Lesen konnte Ewan Macfain als typischer amerikanischer Analphabet nicht; wie man sich in einen Computer einloggte, hatte Gray ihm beigebracht. Für seine Zwecke war Macfain damit prädestiniert. Wer nichts verstand, konnte auch nichts ausplaudern. Und so kam es, dass Macfain immer dann den Weg zu ihm hinauf in die Berge antrat, wenn die Postsituation es erforderte.
Ewan Macfain war zuletzt vor fast einem Monat hier gewesen. Byron Gray hätte demnächst sowieso die siebenundzwanzig Meilen zu dessen verfallenem Gehöft auf sich genommen, um nachzusehen, ob noch alles in Ordnung war. Nicht, dass er sich Sorgen um Macfain machte, aber sein einziger Kommunikationsweg zur Außenwelt musste gewährleistet bleiben. Insgeheim hatte er erwartet, dass Macfain sich totgesoffen hatte und seine Schweine Geschmack an ihm gefunden hatten. Wahrscheinlich würde ihn dieses Schicksal sowieso ereilen, aber fürs Erste brauchte Byron Gray ihn noch. Schön also, dass Macfain nun die Freundlichkeit besaß, selbst zu erscheinen. Etwas früh am Tag für seine sonstigen Gepflogenheiten, aber das war Nebensache. Hauptsache, der heruntergekommene Penner lebte noch.
Als Macfain die Tür seines Subaru zuschlug und mit einem braunen Kuvert in der Hand auf Byron zuschlurfte, konnte der bereits die Whiskeyfahne riechen, die von Macfain ausging. Mit einem undefinierbaren Knurren übergab der gebeugt stehende Mann mit dem lückenhaften gelben Gebiss und den verfilzten langen Haaren Byron Gray den braunen Briefumschlag.
»E-Mail«, knurrte er leicht schwankend und schaute Gray abwartend an. Er hatte kein Interesse an dem Inhalt des Kuverts, ihn interessierte auch nicht, warum es dieser seltsamen Methode der Postzustellung bedurfte, und schon gar nicht, warum Byron Gray so ganz allein in dieser Blockhütte in den Smoky Mountains lebte. Das Einzige, was ihn interessierte, waren die fünfzig Dollar, die er für seine Dienstleistung erhalten würde, dann würde er wieder zurück nach Hause zu seinem Whiskey fahren.
Gray zog die beiden zusammengefalteten Ausdrucke heraus und studierte sie. Dann nickte er kurz und ging schnell in die Blockhütte, um Macfains Geld zu holen. Er wollte nicht, dass er ihm folgte und die Hütte mit den Mikroben verseuchte, die einen lebenslangen Pauschalurlaub auf ihm verbrachten. Ein einziges Mal hatte Macfain in seiner Borniertheit versucht ins Haus zu gelangen, aber Gray hatte ihm noch auf der Veranda mit zwei kurzen Schlägen auf die entsprechenden Stellen eine Lektion erteilt, die der versoffene Aussteiger nie mehr vergessen würde. Seither blieb er widerspruchslos draußen.
Als er mit den Geldnoten in der Hand wieder herauskam, stand sein persönlicher Postbote brav an genau der Stelle, an der er ihn verlassen hatte. Er nahm das Geld an sich, seine trüben Augen leuchteten kurz auf, dann tippte er sich mit zwei Fingern an seine Stirn, eine kurze Andeutung eines Grußes. Gray nickte kurz zurück, dann drehte sich Macfain um und schlurfte zu seinem verrosteten Subaru, in dem er wenige Momente später davondröhnte.
Byron Gray setzte sich auf die Holzbank der Veranda, die jetzt schon stärker von der Morgensonne beschienen wurde, und studierte den Inhalt der E-Mail genauer. Zuerst wurde er nicht ganz schlau aus der Geschichte, dann begann er allmählich zu begreifen.
Eigentlich hatte er sich hier oben zur Ruhe gesetzt und wollte im Frieden mit sich und der Welt das Leben in seiner Hütte genießen. Hier oben hatte er alles, was er brauchte. Eine Quelle, kubikmeterweise Holz zum Heizen und jede Menge Wild, das er jagen konnte. Um die Batterien zu speisen, die ihm das bisschen Strom lieferten, das er brauchte, hatte er sich ein Solarpanel auf das Dach geschraubt. Er hatte ein außergewöhnliches und teilweise spektakuläres Leben geführt, aber damit abgeschlossen. Er hatte nichts von all dem bereut, Geld hatte er genug, mehr, als er jemals würde ausgeben können,
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