Drei Eichen (German Edition)
keuchte Lagerfeld erstaunt. Wo war denn der sonst so korrekte Haderlein abgeblieben?
»Natürlich ist es das. Aber wir wollen ja nichts stehlen, sondern nur schauen, wohin Riemenschneider will, nicht wahr?« Auffordernd blickte er den langsam wieder normal atmenden Lagerfeld an, der sich in sein Schicksal fügte. Hauptsache, er musste nicht mehr rennen.
»Aber auf deine Verantwortung, Franz«, raunzte er und zog sein kleines Notbesteck aus der Tasche, das er für solche Fälle immer bei sich trug.
Das Sicherheitsschloss stellte kein wirkliches Problem für einen Künstler des Schlossknacker-Handwerks wie Lagerfeld dar. Es dauerte nicht einmal eine Minute, dann hatte er die Tür geöffnet.
Riemenschneider zog sofort an der Leine und schnüffelte sich zielsicher nach rechts in die Gaststube. Die beiden Kommissare folgten ihr mit ihren Taschenlampen bis in die hintere linke Ecke. Dort lief Riemenschneider um einen Tisch herum, blieb dann zielsicher an einer Stelle stehen, setzte sich auf ihren Allerwertesten und stieß eine Art heiseres Bellen aus. So, wie sie es während ihrer Zeit in der Polizeihundeschule in Neuendettelsau gelernt hatte. Haderlein strich ihr über den Kopf und holte ein paar Apfelstücke aus seiner Jackentasche, die sie mit großer Begeisterung unter dem Tisch verspeiste.
Die Beamten setzten sich an den Tisch und schalteten ihre Taschenlampen aus. Als sich ihre Augen an das spärliche Licht gewöhnt hatten, das durch die Fenster der Klause drang, meinte Lagerfeld ratlos: »Und was hat uns die ganze Rennerei jetzt gebracht, Franz?«
Der Angesprochene reagierte zuerst gar nicht, dann aber sehr selbstsicher. »Was uns das gebracht hat? Ganz einfach, Bernd, ich weiß jetzt, wie sie es gemacht haben. Ich muss schon sagen, die haben eine wirklich eiskalte Nummer abgezogen.«
»Tatsächlich?«, hörte man daraufhin Lagerfeld, den nicht nur rein visuell große Dunkelheit umgab.
Byron Gray hatte gefunden, wonach er gesucht hatte. Der Platz am kleinen Flüsschen unter den großen Brücken war genau der richtige für ihn. Auch wenn er sonst seine Aufträge erledigt hatte, hatte er nie ein Haus, Hotel oder eine Mietwohnung gebraucht. Die naturnahe Lösung war ihm schon immer die liebste gewesen. Außerdem hatte ein Zelt an so einem Flüsschen durchaus handfeste Vorteile. Er wurde nicht gesehen, er musste keine Daten an irgendwelchen Rezeptionen hinterlassen, er hatte seine Ruhe vor anderem Menschenvolk, und er konnte schnell verschwinden.
Das Einzige, was er nicht hatte, war Komfort, aber den brauchte Byron Gray auch nicht. Das wirklich Notwendige befand sich in seinem Rucksack in dem dunkelgrünen Jeep Wrangler, den er sich besorgt hatte. Mit ihm konnte man auch durch Gelände fahren, in dem im Ernstfall Verfolger stecken blieben.
Nein, dieser Platz hier war perfekt, und er war im Besitz aller Fakten und Informationen, die er brauchte. Eine kurze Pause, dann würde er sich auf den Weg machen, um die Sache zu bereinigen. Wenn es stimmte, was man ihm mitgeteilt hatte, dann würden sich sämtliche Personen in einem Haus versammelt haben. Sehr praktisch. In aller Ruhe steckte er sich eine Pfeife an und beobachtete den etwas verstört wirkenden Biber am gegenüberliegenden Ufer. Irgendwie war es hier fast so wie daheim in den Smoky Mountains. Wenn nur die beiden Brücken über ihm nicht gewesen wären.
»Einfach und genial, so würde ich das nennen. Trotzdem muss man darauf erst mal kommen«, überlegte Haderlein laut, während er weitere Apfelstücke auf den Klausenboden warf. »Ich wette, das kleine blaue Auto gehört diesem Gernot Fraas. Damit hat er Franziska Büchler zum Fuß des Staffelberges gebracht, genau bis dahin, wo Riemenschneider die Witterung verloren hat. Als er wegfuhr, wurde sein Auto noch von einem älteren Ehepaar gesehen. Franziska Büchler ist dann nach oben gelaufen und hat gewartet, bis der Bräutigam sich ihr als Zielscheibe präsentiert hat. Dann, als ihr Opfer tot war, ist sie einfach ein paar Schritte nach unten zu ihren Komplizen und damit außer Sichtweite gegangen. Und als auf dem Plateau das Chaos ausbrach, hatte sie schon in aller Seelenruhe ihren Bogen zerlegt und in ihren Rucksack gesteckt. An den großen Rucksack, den sie dabeihatte, kann ich mich noch gut erinnern.«
Lagerfeld hörte genau zu und begriff allmählich, wie der Mord abgelaufen sein musste. »Ich verstehe«, entfuhr es ihm. »Die Mörderin ist nicht nach unten geflüchtet, sondern hat sich eiskalt als
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