Drei Eichen (German Edition)
erklären. »Laut Fiesders Aussage war Schurig der Begeher. Ein Begeher ist nicht der Jagdpächter, sondern nur dessen bestellter Handlanger. Er kümmert sich für ihn um die Arbeit im Wald, solange der Jagdpächter selbst nicht da sein kann oder will. Verstehst du? Meiner Meinung ist nicht Schurig die maßgebliche Person, sondern derjenige, für den er das Waldstück betreut.«
Haderlein schüttelte erneut verwundert den Kopf. »Du schaffst es immer wieder, mich zu verblüffen, Bernd. Auf die einfachsten Schlussfolgerungen kommst du manchmal nicht, aber so was weißt du. Respekt.«
Lagerfeld grinste, als sie im diffusen Mondschein auf den Parkplatz bei Romansthal fuhren. »Ich bin Franke, Franz. Wir Franken sind einfach anders, das müsstest doch selbst du langsam wissen.«
Die Biber hatten endlich einen Platz an der Itz gefunden, der ihren Vorstellungen im Großen und Ganzen entsprach. Da am Main und der Itzmündung bei Baunach schon regelrechtes Gedränge herrschte, hatten sie sich dazu entschlossen, die übervölkerten Gefilde zu verlassen, sich nach den expeditionsorientierten Genen ihrer Vorfahren zu richten und dem Lauf der Itz flussaufwärts zu folgen.
Sie hatten sich niedergelassen, einen Staudamm gebaut und mit Begeisterung dem Bibern ohne Verhütungsmaßnahmen zugesprochen. Als natürliche Folge war es nach einiger Zeit zum folgerichtigen Erscheinen vieler junger Biber gekommen. Da dies der einzige beabsichtigte Zweck des Biberns war, waren sie mit dem Ergebnis ihres feuchten Treibens durchaus zufrieden. Weniger zufrieden waren sie jedoch mit dem regelmäßigen Auftauchen von Menschen und deren geschäftigem Tun. Kaum hatten sie ihre große wasserdichte Biberburg errichtet – entgegen anderslautenden Gerüchten haben es Biber beim Sex lieber trocken –, konnten sie eigentlich schon darauf warten, dass die Menschen damit begannen, in den großzügig überschwemmten Itzwiesen Reis anzubauen. Besten fränkischen Biberreis. Eine hochgradig nervige Angelegenheit, denn Bibers waren bei der Kinderaufzucht gern unter sich. Menschen, die mehrmals am Tag laut plaudernd an ihrem Gewässer vorbeistapften, fanden sie nur eins: störend.
Also fühlten sie sich Jahr für Jahr genötigt, den Itzgrund weiter und weiter nach oben zu wandern. Im Zuge dessen hatten sie vor Jahren von den Menschen unbemerkt sogar die Stadt Coburg durchquert und unter zwei großen Brücken direkt hinter der Stadt haltgemacht. Auf der einen Brücke fuhren viele Autos, auf der anderen, schmaleren Brücke herrschte überhaupt kein Verkehr. Das allerdings schon seit Jahren. Die Biber beschlossen, sich unter der unbefahrenen Brücke niederzulassen, vielleicht würde ja hier alles anders werden.
Und tatsächlich: Sie konnten überschwemmen, wie sie wollten, es waren weit und breit keine fränkischen Reisbauern in Sicht. Nur ein Mal im Monat kam ein Mensch vorbei, der etwas entfernt einen Holzkasten aufgestellt hatte, um ebendiesen zu kontrollieren. Doch der Kasten mit dem kleinen Loch in der Mitte störte sie nicht weiter. Sie hatten hier schon seit drei Jahren ihre Ruhe. Da machte das Bibern gleich doppelt so viel Spaß. Vor allem jetzt, im späten Frühling, wenn die Triebe sprossen.
Als der Bibervater von draußen ein ungewohntes Geräusch hörte, verließ er den Bau über den unter Wasser liegenden Eingang und tauchte neben der Biberburg wieder auf. Tatsächlich, er hatte richtig gehört. Da waren Menschen, genauer gesagt: Da war ein Mensch. Ein Reispflanzer war es jedoch augenscheinlich nicht, die bauten normalerweise keine kleinen Häuser auf. Der Bibervater wusste inzwischen, dass Menschen solche kleinen Häuser Zelte nannten. In denen übernachteten sie dann in der freien Natur, was das Bibervolk freilich sein ganzes Leben lang tat. Der Bibervater schnupperte und beobachtete den Menschen noch eine ganze Weile, doch viel tat sich dort drüben nicht mehr. Er hatte sein kleines Haus aufgebaut und mit Ästen und Zweigen getarnt. Es war kaum noch zu sehen, fast wie eine Biberburg. Der Chef der Biberfamilie hoffte, dass dieser Mensch nicht wie die anderen etwas pflanzen würde, aber wenn doch, würde er ganz genau beobachten, was da im Laufe des Jahres heranwachsen würde. Wenn es eine Art Riesenreis war, dachte er verärgert, dann würden sie hier jedenfalls sofort die Segel streichen. Und dabei hatte er so gehofft, hier endlich auf unbestimmte Zeit ungestört mit seiner Familie leben zu können.
Jetzt saß der Mensch seelenruhig vor
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