Drei Eichen (German Edition)
der Antwort zufriedenes Gesicht, obwohl er den Verbindungsmeister gern noch etwas länger befragt hätte. Andererseits würde er ihm ja nicht weglaufen, schließlich lag die Parteizentrale der Frankenpartei in Bamberg, gleich um die Ecke des Polizeipräsidiums. »Nichts für ungut, Herr Dr. Irrlinger, aber denken Sie bitte daran, zeitnah bei uns vorbeizuschauen, ja?«
Gerhard Irrlinger war die große Erleichterung sofort anzumerken, während sich Franz Haderlein mit seinem Leben als Kriminalhauptkommissar ein bisschen schäbig vorkam. Da stand er wieder einmal vor einem Mitmenschen, der etwas gleicher war als die meisten anderen um ihn herum.
»Hier ist meine Visitenkarte, Herr Kommissar.« Bereitwillig streckte ihm Irrlinger ein kleines weißes Kärtchen hin, und auch Werner Grosch kramte seine Visitenkarte heraus und hielt sie Franz Haderlein wie einen Strafzettel des Bamberger Parküberwachungsdienstes vor die Nase. Dr. Werner Grosch, International Financial Consulting, darunter eine Webadresse plus Handynummer. Haderlein nahm beide Karten an sich und steckte sie sich in die Jackeninnentasche.
»Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet«, sagte Irrlinger etwas geschwollen und gab Haderlein zum Abschied die Hand. »Darf ich erfahren, ob Sie sich schon entschieden haben, was die Abstimmung morgen anbelangt?« Mit einem gewinnenden Lächeln betrachtete er Haderlein, der unwillkürlich zusammengezuckt war. Irrlinger hatte doch tatsächlich einen wunden Punkt bei ihm erwischt.
Haderlein stammte aus Aschau im Chiemgau, das definitiv nicht in Franken, sondern in Oberbayern lag. Viel oberbayerischer als das Chiemgau ging es eigentlich gar nicht. Bevor er seine aus Bamberg stammende Frau kennengelernt hatte, war alles von Rhön bis Königssee für ihn einfach Bayern gewesen. Punkt. Erst als er damals in Franken seine Arbeit aufnahm, hatte er die merkwürdigen Aversionen der Einwohnerschaft gegen die alpenländische Bevölkerungsgruppe im Freistaat bemerkt. Schnell hatte er lernen müssen, dass er sich hier zuallererst einmal in Franken befand und erst in zweiter Linie in Bayern. Woher dieser latente Widerstand gegen den südlichen Teil des Freistaates kam, hatte sich ihm nie zur Gänze erschlossen, aber das wäre von einem geborenen Chiemgauer ja auch zu viel verlangt gewesen. Seine Meinung vertrat er hier, mitten im Fränkischen, auch öffentlich, sodass ihm etliche Diskussionen zu dem Thema nicht erspart geblieben waren. In den Jahrzehnten, in denen er schon in Franken lebte, hatte er diese permanente Widerborstigkeit nie kapiert, aber zumindest versucht, sie zu akzeptieren.
»Ich werde mich wohl enthalten«, sagte der Kriminalhauptkommissar mit Migrationshintergrund fast ein wenig bockig und ließ die Hand Irrlingers gleich wieder los. Der Politiker sah ihn noch einen Moment lang professionell lächelnd an, nickte ihm noch einmal kurz zu, dann drehte er sich um und ging mit dem schweigsamen Dr. Grosch von dannen.
Haderlein schaute den beiden Verbindungsbrüdern noch hinterher, dann riss ihn die Stimme Ruckdeschls, der an der Kapelle stand und seine Anwesenheit einforderte, aus den Gedanken. Erleichtert, sich wieder seiner eigentlichen Arbeit widmen zu können, drehte sich Haderlein um und ging zum Chef der Spurensicherung.
Hubert Fiederling hob die Hand, und die Betonpumpe des Spezialtransporters stellte umgehend ihre Tätigkeit ein. Der Pumpenrüssel wurde aus der Grube gezogen, und die Arbeiter begannen, den massiven Schlauch für den Transport in seine Einzelteile zu zerlegen.
Unterdessen betrachtete Fiederling die graue Masse in dem großen Loch. Eine Woche mindestens musste der Beton jetzt aushärten, dann war das Fundament für das Windrad fertig, und die zuständigen Fachkräfte konnten das riesige Teil installieren. Bis spätestens Pfingsten sollte das Rad fertig sein und ans Netz gehen. Alles, was dazu noch notwendig war, würde eine Spezialfirma aus Frankfurt übernehmen, die das Rad auch konstruiert hatte. Die Arbeit der Firma Fiesder war auf dieser Baustelle hiermit erledigt.
Genauso wie er. Tagelang hatte er die Bilder von dem skelettierten Arm nicht aus seinem Kopf bekommen. Alpträume hatten ihn die letzten Nächte heimgesucht. Untote in gelben Regenmänteln, die sich aus dem ICE -Gleisbett wühlten und durch das friedliche Meschenbach taumelten, um nach ihm zu suchen. Und natürlich würden sie sich grausam an ihm rächen, damit ihre armen Seelen endlich Frieden finden konnten. Inzwischen wachte
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