Drei Eichen (German Edition)
mit etwas zu kämpfen hatte, dann mit dem Erwachsenwerden. Die Pubertät schlug bei ihr fröhliche Kapriolen, und mit einer alleinerziehenden Mutter zu Hause hatte Miriam schon die eine oder andere emotionale Zerreißprobe zu bestehen gehabt.
Den Vater von Miriam hatte sie bisher nur der Stimme nach gekannt, wenn er sich telefonisch nach seiner Tochter erkundigt hatte. Umso erfreulicher war es, ihn, der sich so rührend aus der Ferne um Miriam zu kümmern versuchte, auch einmal in Person kennenzulernen. Vor allem, weil er so unverschämt elegant daherkam.
»Und was machen Sie in Ihren wohlverdienten Ferien, wenn ich so neugierig sein darf?«, wollte der gut aussehende Papa von ihr wissen, während er in seinen leichten dunkelbraunen Übergangsmantel schlüpfte.
»Ich werde wohl erst einmal die Wohnung putzen und am Sonntagnachmittag einen Ausflug mit meiner Vespa machen, da soll’s ja endlich richtig warm werden«, sagte sie lachend. »Wenn man allein lebt, ist man zum Glück einigermaßen flexibel«, konnte sie sich die augenzwinkernde Bemerkung nicht verkneifen. Der Mann sah wirklich verboten gut aus. Dass solche Männer aber auch immer gleich vergriffen waren. Oder war er das vielleicht gar nicht? Schließlich rief er ja immer von woandersher an. Männer, die viel unterwegs waren, hatten es ja bekanntermaßen schwer bei Frauen, und von seiner Frau war er getrennt.
Miriams unerreichbarer Papa lachte kurz auf und fragte dann fröhlich: »Und wohin fährt man als junge, attraktive Frau so allein mit seinem Roller?«
Studienrätin Ledang konnte nicht verhindern, dass sie errötete wie ein junges Mädchen, das gerade einen Antrag zum Abschlussball erhalten hatte. Die Situation war ihr peinlich, und dieser Kerl wusste das ganz genau, anders war sein freches Grinsen nicht zu deuten. »Meine Lieblingsstrecken liegen mehr so im nördlichen Bamberger Landkreis«, sagte sie schnell. »Da ist es nicht so voll wie in der Fränkischen Schweiz. Baunach, Ebern, Staffelstein, so diese Richtung.« Sie sah, wie er überlegte, dann beugte er sich auf ihr Pult hinunter, griff sich einen der kleinen rosafarbenen Notizzettel und kritzelte eine Telefonnummer darauf. Sein Grinsen wurde noch breiter, als er ihr den Zettel reichte. »Dann mal viel Spaß, Frau Ledang. Und wenn Sie am Sonntag in den nördlichen Hemisphären des Landkreises weilen, dann schicken Sie mir doch eine kurze SMS .« Er hielt kurz inne. »Natürlich nur, wenn Sie über ein Handy verfügen, das diese neumodische Elektropost verschicken kann.«
Sie lachte. »In der Tat kann mein Handy das. So ganz hinterm Berg lebe ich ja auch nicht, auch wenn ich nicht der größte Technikfreak bin.«
»Gut«, sagte er mit zufriedenem Gesichtsausdruck. »Dann treffen wir uns vielleicht übermorgen, und ich würde mich freuen, wenn ich dann eine Runde auf Ihrem Geschoss mitfahren dürfte. Auf Wiedersehen.« Er drehte sich um, öffnete die Tür des Klassenzimmers und lächelte ihr beim Hinausgehen noch einmal kurz zu.
Petra Ledang war wieder allein in ihrem Unterrichtsraum. Wie betäubt stand sie eine Weile auf einem Fleck, unfähig, sich zu rühren. Sie seufzte leise, zu träumen war ja wohl noch erlaubt. Auch wenn Träume dieser Art sich in den seltensten Fällen erfüllten. Wahrscheinlich war es besser, nicht zu viel zu erwarten. Besser, sie steckte sich für die Ferientage Ziele, die mehr Aussicht auf Erfolg bargen. Gerade hatte Deutschland seine Teilung überwunden und sie eine langjährige Beziehung in der nun »Ex- DDR «. Vielleicht war es einfach noch zu früh, hier im Westen nach dem großen Glück in Form eines attraktiven Mannes greifen zu wollen.
Trotz allem in beschwingter Stimmung, packte sie ihre pädagogischen Siebensachen und schloss die Tür zum Klassenzimmer hinter sich. Beim Hinausgehen traf sie den Hausmeister auf dem Gang und wünschte auch ihm frohe Pfingstfeiertage. Sie war sich ziemlich sicher, dass Roland Schurig die meiste Zeit davon auf irgendeinem Bamberger Keller verbringen würde. Außer der Restauration von Oldtimern hatte der ewige Single kein anderes Hobby. Angeblich standen schon etliche Schmuckstücke in seiner Scheune in Hirschaid. Wahrscheinlich steckte der überzeugte Junggeselle alles, was er verdiente, in die alten Karossen und war ansonsten im Biergarten zu finden.
Der Gute war bestimmt eines der ersten Kellerkinder, die kamen, und noch sicherer eines der letzten, die gingen. Im Ernstfall würde er vermutlich problemlos einen
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