Drei Eichen (German Edition)
er mehrfach jede Nacht auf und trank früh um drei Uhr erst mal ein Bier zur Beruhigung. Dann legte er sich wieder hin, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken. Nun, jetzt konnte er diese vermaledeite Baustelle endlich abschließen und sich dem nächsten Auftrag widmen. Und dann würden auch die gelben Untoten aus seinen Träumen verschwinden, da war er sich ganz sicher. Schließlich mussten auch die irgendwann einsehen, dass er mit der Baustelle nun nichts mehr zu tun hatte.
Er gab seinen Arbeitern ein Zeichen und verschloss den Bauzaun, der das frisch gegossene Fundament umsäumte. Nicht dass er Angst gehabt hätte, jemand könnte hier irgendetwas stehlen, aber es musste ja nicht sein, dass sich noch irgendein Wildtier in den frischen Beton verirrte. Prüfend strich sein geübter Blick ein letztes Mal über das Areal, dann schwang er sich in sein Auto und fuhr als Letzter der Kolonne von Baufahrzeugen hinterher, die Eierberge hinunter. Hubert Fiederling und die Firma Fiesder rückten für immer ab.
Zurück in der Zukunft
Leonhard Sachse hatte seinen Leichenwagen am Hintereingang der Erlanger Gerichtsmedizin zum Stehen gebracht und die Klingel betätigt. Die Intonation von Siebenstädters »Was ist denn?« deutete darauf hin, dass die Laune des Chefs der Erlanger Gerichtsmedizin wieder mal »unter Par« war. Mit entsprechend griesgrämigem Gesichtsausdruck öffnete Siebenstädter dann auch die große Tür des sogenannten Lieferanteneinganges. Doch kaum, dass er den Leichensack zu Gesicht bekam, hellte sich sein Gesicht schlagartig auf.
»Das glaube ich jetzt nicht, Sachse, das glaub ich jetzt wirklich nicht!« Allergrößtes Entzücken lag plötzlich in seiner Stimme. »Hat Haderlein mal wieder Cowboy und Indianer gespielt, was? Dann will ich doch schwer hoffen, dass das da ein gewisser General Custer ist, der am Little Big Horn von einem fränkischen Eingeborenen niedergestreckt wurde, hahaha!« Siebenstädter kriegte sich gar nicht mehr ein, während er an dem oben aus dem Sack herausragenden Pfeil herumfingerte.
Sachse überlegte, ob der Herr Professor mal wieder zu tief ins Glas geschaut hatte. Seine Alkoholexzesse waren in der letzten Zeit doch dem einen oder anderen in der Gerichtsmedizin und außerhalb aufgefallen. In der Erlanger Studentenschaft hielten sich sogar hartnäckige Gerüchte, die besagten, dass sich Herr Professor Siebenstädter in seiner Not durchaus schon mal am Formalin vergriff, in welches er normalerweise die Innereien seiner Klienten einzulegen pflegte. Sachse konnte sich das zwar nicht vorstellen, aber darauf wetten würde er ganz sicher nicht. Bei Siebenstädter wusste man nie.
Dieser stockte urplötzlich, dann erschien ein verschlagen wissender Ausdruck auf seinem Gesicht. Ein plötzliches Verstehen bemächtigte sich seiner. »Das ist doch wohl keine Nummer mit einer versteckten Kamera, Sachse, oder? Sie werden doch wohl nicht den einfältigen Versuch machen wollen, zusammen mit den talentfreien Bamberger Kriminalräten einen Professor Siebenstädter zu vergackeiern?« Fast drohend sah er zu dem Bestatter hinüber, der entrüstet abwinkte. Aber Siebenstädter war von seinem Verdacht nicht abzubringen und schlich erst einmal um Sachses Wagen herum, um jedes Detail haargenau zu inspizieren. Er bedachte den altbekannten Leichenbringer erst mit einem spöttischen Grinsen, um sich dann urplötzlich umzudrehen und mit einer dramatischen Geste die Beifahrertür aufzureißen. Dort lag aber nicht, wie er vermutet hatte, ein kichernder Bamberger Kriminalbeamter, sondern nur Sachses »Playboy« für langweilige Überbrückungsstunden. Frustriert knallte Siebenstädter die Tür des Mercedes zu und strafte Sachse wortlos mit einem vernichtenden Blick. Dann warf er sich zu Boden und untersuchte den freien Raum unter dem Wagen. Dass dieser Raum freier war, als er gedacht hatte, drückte seine Stimmung ins schier Unterirdische. Der Professor erhob sich wieder und scannte mürrisch die Hauswand des Gerichtsmedizinischen Institutes, um dann schließlich noch ein paar flüchtige Blicke in die Umgebung des angrenzenden Parks zu werfen.
Sachse hatte sich das ganze Melodram in aller Gelassenheit angeschaut und eine Pausenzigarette angezündet. Die Wirkung des Zombies verflüchtigte sich langsam, da musste man dann schon mal mit etwas Nikotin nachhelfen. Er hatte die Kippe gerade auf dem Beton der Auffahrt ausgetreten, als Siebenstädter um die Ecke seines Leichenwagens geschlichen kam. Gleichmut sprach
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