Drei Eichen (German Edition)
Vorsprüngen suchte, von denen es Gott sei Dank reichlich gab. Während er kletterte, schoss ihm das Bild seiner Tochter durch den Kopf. Hoffentlich war sie nicht in der Nähe. Er kam zügig voran, gewann an Höhe. Die Furcht verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Er vermied es zurückzuschauen, ahnte er doch, dass dies ein Wettlauf mit dem Tod war. Er wusste nicht, warum, aber nach der Erklärung dafür würde er später suchen müssen. Jetzt musste er erst einmal aus diesem Steinbruch raus.
Er hatte es fast geschafft. Seine rechte Hand griff bereits über die Kante in ein feuchtes Grasbüschel. Er wusste, dass er es nicht tun sollte, aber im Gefühl des nahenden Erfolges sah er kurz nach unten. Dort standen sie. Ruhig, jeder mit einem gespannten Bogen im Anschlag. Automatisch kontrahierten seine Armmuskeln, und er zog sich nach oben. Sein Kopf schob sich bereits über die Kante des Steinbruchs, als ihn von hinten ein Schlag traf und er einen stechenden Schmerz verspürte. Verzweifelt blickte er über die Kante des Steilabfalls, an den er sich noch immer mit all seiner Kraft klammerte, und sah durch einen Maschendrahtzaun plötzlich in ein Gesicht.
»Lauf, um Himmels willen, lauf«, konnte er noch verzweifelt flüstern, als ihn zwei weitere Pfeile trafen. Ein letztes Mal blickte er sehnsüchtig durch die Maschen des Zauns in das rettende Gebüsch direkt vor seinen Augen, das für ihn in unerreichbarer Ferne lag, dann fanden die nächsten Pfeile ihr Ziel.
Haderlein erhielt den Anruf von Huppendorfer, als er Lagerfeld bei seiner schwangeren Mühlenmitbesitzerin abgeliefert hatte und wieder ins Auto gestiegen war. Huppendorfers Anliegen hatte, anders als erwartet, nichts mit dem toten Bräutigam zu tun, sondern mit der Bitte um einen Kurzeinsatz von Riemenschneider in einer eher undurchsichtigen Angelegenheit, wie sich der junge Kommissar ausdrückte.
»Bitte, Franz, tu mir den Gefallen. Wahrscheinlich löst sich alles in Wohlgefallen auf, dann muss ich morgen auch nicht nach Erlangen«, bat ihn Cesar und schickte noch eine Wegbeschreibung zum Treffpunkt hinterher.
Ach, daher wehte also der Wind. Haderlein musste schmunzeln, während er den Weg in Richtung Itzgrund einschlug. Die allgemeine Angst vor einem gewissen Professor ging also um. Anscheinend hatte es der Leiter der Erlanger Gerichtsmedizin geschafft, sich so beliebt zu machen wie das Gemeine Stachelschwein. Niemand wollte freiwillig etwas mit ihm zu tun haben. Haderlein sah es schon kommen, dass der Termin morgen trotz Lagerfelds Versprechen wieder an ihm hängen blieb, aber jetzt wollte er erst einmal wissen, was das für eine Sache war, bei der Riemenschneider so unglaublich wichtig sein sollte. Er warf einen kurzen Blick auf die Rückbank, wo das Ferkel bereits wieder eingeschlafen war. Der Alkoholpegel hatte die kritische Grenze der Gattung wohl signifikant überschritten. Haderlein fragte sich, ob die Riemenschneiderin in diesem Zustand für Huppendorfers Anliegen überhaupt von Nutzen sein konnte. Schon beim Verlassen des Greifenklau in Bamberg war dem Kommissar der schlangenlinienförmige Gang seines Ferkels aufgefallen, der zu dem von Lagerfeld auffallend parallel ausgefallen war. Nun gut, das sollte Kollege Huppendorfer selbst entscheiden. »Bin schon auf dem Weg, Cesar.«
Er drehte um, klaute sich auf Lagerfelds Baustelle entsprechendes Werkzeug und befand sich kurze Zeit später auf der Autobahn Richtung Suhl, die er gleich darauf wieder an dem Autobahnzubringer verließ, der nach Untersiemau in das angrenzende Tal führte. Im Itzgrund folgte er der alten Bundesstraße bis zur Ortsmitte Meschenbach, wo er Huppendorfer am Straßenrand neben seinem Dienstwagen stehen sah. Eine zweite Person war bei ihm, ein kleiner schmächtiger Mann mit grauem Filzhut auf dem Kopf. Haderlein stellte seinen Landrover ebenfalls am Straßenrand ab und stieg aus.
»Danke, Franz, dass du gekommen bist. Hast jetzt echt was gut bei mir.« Huppendorfer wirkte ehrlich erleichtert. »Das hier ist Herr Fiederling von der Firma Fiesder. Er hat mir eine ziemlich schräge Geschichte erzählt, die ich gern überprüfen möchte.«
Haderlein musste einen kurzen Moment nachdenken, dann verzog er das Gesicht, als ob er Schmerzen hätte. Fiesder? Da klingelte doch etwas bei ihm. »Du meinst doch nicht etwa die Firma vom Hubschrauberfiesder, den Schwarzhutfetischisten?«, fragte Haderlein ohne wirkliche Hoffnung auf einen Irrtum Huppendorfers oder ein sonstiges Missverständnis.
Sowohl
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