Drei Eichen (German Edition)
konnte oder nicht. Eine Kleinigkeit würde sie allerdings noch erledigen, bevor sie verschwand, auch wenn diese Kleinigkeit nicht ganz korrekt war. Obwohl sie aus ihrer Sicht eigentlich einem guten Zweck gleichkam, hatte sie trotzdem Skrupel. Andererseits würde die Gelegenheit so schnell nicht wiederkommen. Also, ran an den Speck.
So unauffällig wie möglich schlenderte sie quer durch den Raum, bis sie an Cesar Huppendorfers Schreibtisch zu stehen kam. Als würde sie zum Tagesabschluss noch einmal den Blick in die sternenklare Nacht genießen, schaute sie zum großen Fenster der Dienststelle hinaus, während sie immer wieder schnelle Blicke zu ihrem Chef in sein Glasbüro hinüberwarf. Doch der hatte keinerlei Augen für Honeypenny beziehungsweise hatte sie schon längst vergessen. Gut so.
Während sie Fidibus weiter aus dem Augenwinkel fixierte, schob sich ihre rechte Hand langsam, aber zielsicher in die Aktenmappe, die auf Huppendorfers Schreibtisch ruhte. Als ihre Finger den Inhalt der Mappe berührten, zogen sie die darin liegenden Blätter langsam heraus. Sie hatte es fast geschafft, hatte aber so konzentriert gearbeitet, dass ihr entgangen war, dass während ihres riskanten Manövers jemand das Büro betreten hatte.
»Äh, was suchst du bitte in meinen Unterlagen, Honeypenny?«, hörte sie plötzlich die verärgerte Stimme Huppendorfers und fuhr so abrupt herum, dass die Ermittlungsergebnisse des Kommissars quer durch den Raum segelten. Ihr Herz setzte für eine halbe Ewigkeit aus, ihr Kopf begann sich rot zu verfärben.
Huppendorfer hatte noch nie eine derart verunsicherte und erschrockene Honeypenny zu Gesicht bekommen. Er wurde misstrauisch, ging durch den Raum auf sie zu und sammelte dabei seine Akten wieder vom Boden auf. Es handelte sich um die Akte Fiederling, die er heute erst angelegt und auf seinem Schreibtisch deponiert hatte. Zufrieden stellte er fest, dass nichts fehlte, aber was hatte Honeypenny mit der Akte gewollt? Die ging sie doch nun wirklich nichts an. Mit fragendem Blick und wieder vollständiger Mappe baute er sich vor ihr auf.
»Raus mit der Sprache, Marina, was soll das?« Honeypennys Gesichtsfarbe ähnelte inzwischen der einer Tomate, auf ihrer Stirn hatte sich die eine oder andere Schweißperle gebildet. Die Sekretärin befand sich ganz offensichtlich in einer für sie außergewöhnlich prekären Lage.
»Also, äh, es ist so, dass ich, also … Ich kann das alles erklären«, stammelte sie wie eine Achtjährige, die man mit der ganzen Hand im Nutellaglas erwischt hatte.
»Dann erklär mal schön. Ich höre.« Huppendorfer schlug einen süffisanten Ton an und bemerkte eine weitere Farbverschiebung von Honeypennys Gesicht in Richtung Violett.
»Ich wollte nur eine kleine Auskunft, die ich … Also, natürlich hätte ich auch ganz normal im Telefonbuch … Aber ich dachte, so wäre es vielleicht diskreter und ich müsste nicht umständlich …«
Huppendorfer verstand kein Wort von dem zusammenhanglosen Gestammel. Was war bloß in Honeypenny gefahren? Sonst war sie doch die Resolute von ihnen beiden, die ihn wie einen kleinen Schuljungen aussehen ließ. Und jetzt dieses hilflose Gefasel? Da war doch etwas oberfaul.
»Was wolltest du mit meiner Akte? Spuck es aus, oder wir gehen zu Fidibus und lassen ihn die Sache klären«, drohte Huppendorfer jetzt unverhohlen.
Marina Hoffmanns Augen wurden vor lauter Angst groß wie Kaffeetassenuntersetzer. Hektisch winkte sie mit beiden Händen ab. Die ersten Schweißperlen rannen schon an ihrem Gesicht hinab und verabschiedeten sich der Schwerkraft folgend in Richtung Büroboden. Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Was für eine schreckliche Demütigung! Doch Huppendorfer ließ nicht locker. Schweigend hob er noch einmal die Akte in die Höhe, und seine Augen wiederholten stumm die Frage: Was wolltest du mit meiner Akte?
Honeypenny gab auf. Man konnte förmlich sehen, wie ihr Widerstand in sich zusammenfiel wie ein Luftballon nach einem Nadelstich. »Die Telefonnummer, ich wollte die Telefonnummer«, sagte sie zerknirscht.
»Telefonnummer? Was denn für eine Telefonnummer?«, wollte Huppendorfer wissen, der noch immer nichts kapierte.
Honeypenny wurde noch etwas kleiner, ihre Stimme noch etwas leiser. »Na, die Telefonnummer vom Fiederling. Von Hubert Fiederling«, hauchte sie mit letzter Kraft und schaute Cesar Huppendorfer mit einem verstört verliebten Blick an.
Der Kommissar stand einen Moment lang verdutzt mit der erhobenen
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