Drei Eichen (German Edition)
die Enterprise durchs All fliegen sah, bekam er nostalgische Gefühle und erinnerte sich wieder an die Folge. Kirk und Spock sollten die Bevölkerung des Planeten Bionadus – oder wie der auch immer hieß – vor einem geheimnisvollen Leuchtwesen retten, welches seine Opfer mit sirenenartigem Gesang anlockte, um sie dann in orangefarbene Energie umzuwandeln – oder so ähnlich. Auf jeden Fall unglaublich spannend. Ute von Heesen schien die Geschichte leider nicht sonderlich zu interessieren, sie machte einen recht bettfertigen Eindruck. Aber etwas musste sie von Folge neun der berühmten Weltraumabenteuer dann doch mitbekommen haben, denn kurz vor ihrem endgültigen Einnicken stellte die Mutter von Lagerfelds zukünftigem Kind fast beiläufig noch die sinnige Frage: »Sag mal, Bernd, wie funktioniert das eigentlich, dieses Beamen?«
Dann war sie endgültig eingeschlafen, und Lagerfeld schüttelte nur fassungslos den Kopf. Gut, vielleicht hatte er keine Ahnung von Schwangerschaften und ähnlichen Frauensachen, aber dafür hatte Ute absolut keinen Schimmer von Weltraumtechnik. Lächelnd deckte er sie zu und stellte den Ton des Fernsehers mit der Fernbedienung etwas leiser.
Kurz vor dreiundzwanzig Uhr schloss Haderlein seine Haustür auf. Als Erste kam ihm Riemenschneider entgegengelaufen und leckte ihm die Hose, dann folgte Manuela mit schläfrig fragendem Blick. Franz Haderlein ging auf sie zu und umarmte sie.
»Ich weiß, was du fragen willst«, sagte er, »aber glaube mir, das willst du heute Abend nicht mehr wissen. Ich erzähl dir alles morgen, und jetzt lass uns ins Bett gehen.«
Manuela Rast nickte dankbar, schlang ihren rechten Arm um seine Hüfte und zog ihn Richtung Schlafzimmer. Heute Abend hätte sie auch keine Lust mehr auf die üblichen Geschichten von irgendwelchen Leichenfunden gehabt.
Marina Hoffmann war zwar von sämtlichen Bediensteten der Bamberger Dienststelle an diesem Samstagabend als Erste im Bett, schlief aber trotzdem die halbe Nacht nicht. Erst geisterte ihr der peinliche Vorfall mit dieser verdammten Akte durch den Kopf, dann, als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, wanderten ihre Gedanken immer wieder zu dem freundlichen hageren Mitarbeiter der Firma Fiesder. Dieser kleine Knecht wollte ihr einfach nicht aus dem Sinn gehen. Sie wälzte sich in ihrem Bett von rechts nach links und wieder zurück, kam aber immer wieder zum gleichen Ergebnis. Sie wollte dieses Männchen wiedersehen. Und zwar nicht in der Dienststelle, sondern privat. In ihren Gedanken spielte sie durch, was sie mit ihm anstellen würde, wenn sie endlich allein mit ihm wäre. Erst am frühen Morgen ließen sie die vielfältigen Möglichkeiten der zweisamen Freizeitgestaltung sehr zufrieden einschlafen.
Als allerletzter der Involvierten kam an diesem Tag natürlich Leonhard Sachse ins Bett. Erst hatte er eine Ewigkeit vor der Erlanger Gerichtsmedizin herumgestanden, weil Siebenstädter trotz Absprache einfach nicht erscheinen wollte. Als er es mehrmals erneut auf dessen Mobilfunknummer versucht hatte – natürlich vergeblich –, fuhr er mit den Resten von vier Leichen im Kofferraum durch Erlangen, um den Gerichtsmediziner auf eigene Faust zu suchen. Schließlich kannte er seinen Pappenheimer gut genug, um eine Ahnung von dessen Lieblingsplätzen zu haben.
Irgendwann fand Sachse Professor Siebenstädter an seinem geliebten Stehimbiss »Hühnertod«, wo er gerade frittierte Geflügelbeine verspeiste. Auf sein Ansinnen hin, doch mit ihm zur Gerichtsmedizin zu fahren, damit er seine Ladung loswerden könnte, zeigte Siebenstädter keine Reaktion. Stattdessen vermutete der Professor die nächste Verarsche von Haderlein und Co. Dann, als Sachse ihn gezwungen hatte, doch mal einen Blick in die Leichensäcke zu werfen, winkte der Professor seine Kumpels herbei, um ihnen zu demonstrieren, wie anstrengend und anspruchsvoll sein Job in der Gerichtsmedizin doch war. Keiner von Siebenstädters Bekannten war noch nüchtern, anscheinend hatten sie hier ihre ganz private Bergkerwa gefeiert. Jeder durfte nun auf des Professors Zeichen hin eine Vermutung oder ein sonstiges Statement zum Werdegang der Dahingeschiedenen abgeben, obwohl die Männerclique hauptsächlich aus fachfremden Juristen, Immobilienmaklern und einem Allgemeinarzt bestand. Wohl oder übel musste sich Sachse zu einem Bier und einem Hühnerbein mit Senfsauce einladen lassen. Hätte er sich geweigert, wären die Herren sehr, sehr unfreundlich geworden, wie sie sich
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