Drei Eichen (German Edition)
belehrenden Kommentare abzugeben, sondern die lagerfeldschen Umschichtungen ihren natürlichen Gang gehen zu lassen.
»Weißt du, was ich mir als Kind am liebsten im Fernsehen angeschaut hab?«, fragte Lagerfeld urplötzlich.
Ute von Heesen erschrak fast ein bisschen, da sie eine Dreiviertelstunde schweigend und versonnen Arm in Arm auf der Bank verbracht hatten. Aber immerhin tat sich da etwas in den Gedanken ihres Herzallerliebsten, dachte sie amüsiert. »Nein, was denn?«, fragte sie neugierig.
Lagerfeld musste lächeln, als er an seine so lang zurückliegenden Kindheitstage denken musste. »›Raumschiff Enterprise‹«, sagte er begeistert, doch die Antwort traf bei Ute keineswegs auf fruchtbaren Boden.
»›Raumschiff Enterprise‹? Du willst unser Neugeborenes ›Raumschiff Enterprise‹ schauen lassen? Du hast sie doch nicht mehr alle!« Wieder einmal war sie außerstande, die abartigen Gedankengänge im Gehirn dieses seltsamen Menschen da neben sich nachzuvollziehen.
»Natürlich nicht gleich nach der Geburt, aber später dann, wenn es ihm was für sein Leben bringt. So mit drei, vier Jahren, wenn er dann in der Schule ist, dann schau ich mit ihm auf unserem neuen Sofa, das wir noch nicht haben, in unserem neuen Fernseher, den wir auch noch nicht haben, ›Raumschiff Enterprise‹ an«, stellte Lagerfeld zufrieden fest.
Ute von Heesen schloss erst verzweifelt die Augen, musste dann aber doch lachen. »Mensch, Bernd. Erstens ist noch gar nicht klar, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Zweitens wird unser Kind mit drei Jahren sicher noch nicht in der Schule sein, sondern bestenfalls im Kindergarten. Und drittens schaut es mit drei Jahren ganz bestimmt nicht ›Raumschiff Enterprise‹, weil es das noch überhaupt nicht kapiert. Ende der Durchsage«, sagte sie gespielt entrüstet.
Doch Lagerfeld war nicht überzeugt. Wie konnte man nur so übervorsichtig sein? Aber Ute würde ihn ja nicht andauernd bewachen können. Irgendwann, wenn sie wieder in der HUK arbeitete, zwischen Fläschchen und Brei von Alete, würde sich schon eine Möglichkeit finden, wie er seinem Sprössling Kirk und Co. näherbringen konnte. Andererseits, warum sollte er so lange warten, wenn das Gute doch so nah lag. »Sag mal, Ute, findest du nicht auch, dass es langsam etwas kühl wird? Was hältst du davon, wenn wir uns auf unser altes Sofa setzen, das wir haben, und in unserem alten Fernseher, den wir ebenfalls haben, ›Raumschiff Enterprise‹ gucken? Ich hab noch die Videokassetten von Folge eins bis siebzehn«, schlug er fröhlich vor und kniff ihr dabei recht engagiert seitlich in den Allerwertesten.
Ute von Heesen gab auf. Erstens war es tatsächlich kalt geworden, zweitens wurde sie langsam müde, und drittens war das Sofa gar nicht so schlecht. Da konnte Bernd seine Raumschiffe anhimmeln und sie langsam und genüsslich neben ihm einschlafen. Also packten sie ihre Siebensachen und verlagerten ihr Abendprogramm in Richtung provisorisches Wohnzimmer. Lagerfeld legte eine Videokassette aus seiner historischen Sammlung ein, und Ute von Heesen mümmelte sich auf dem Sofa in ihre Decke.
Während der Videorekorder zurückspulte, wanderten Lagerfelds Gedanken doch noch einmal zu den beruflichen Problemen des heutigen Tages zurück. Schwangerschaft hin oder her, morgen musste er sich wieder diesem abgefahrenen Mordfall widmen. Außerdem war dann ja noch die Volksabstimmung über das Bundesland Franken angesetzt. Alles in allem stand ihm am morgigen Pfingstsonntag ein ziemlich ereignisreicher Tag ins Haus. Seine Kollegen hatten den Abend wahrscheinlich noch mit einem schönen Bier auf irgendeinem Keller ausklingen lassen, während er sich an sein Vatersein gewöhnen musste. Ob der Ermordete vom Staffelberg wohl auch Kinder gehabt hatte? Früher hatte er sich über so etwas keine großen Gedanken gemacht. Leichen waren einfach nur Leichen gewesen. Emotionale Involviertheiten hatte er sich nicht leisten können und wollen. Das verkomplizierte das Arbeiten nur. Für Gefühlsduseleien war bisher immer Franz zuständig gewesen. Der konnte das richtig gut mit den Angehörigen, weshalb er sich davor bisher immer hatte drücken können. Huppendorfer und er waren aber auch schon die nächste Generation, sie sahen ihren Job mit ganz anderen Augen als Franz oder auch Ruckdeschl …
»Der Weltraum, unendliche Weiten …«, tönte es aus dem kleinen alten Röhrenfernseher und riss Lagerfeld aus seinen philosophischen Überlegungen. Als er
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