Drei Eichen (German Edition)
ausdrückten. Sachse fand die ganze Situation völlig daneben und war außerdem hundemüde. Als er es nicht mehr ertrug, wurde er handgreiflich und beförderte Siebenstädter unter wüsten Drohungen auf den Beifahrersitz seines Wagens.
In der Gerichtsmedizin legte Siebenstädter dann ein zügigeres Tempo an den Tag. Er stellte Sachse zeitnah seine Quittung aus und bat, ihn wieder bei seinen Saufkumpanen am »Hühnertod« abzuliefern. Sachse willigte ein, doch dummerweise hatte der »Hühnertod« inzwischen geschlossen, und sämtliche Gäste waren verschwunden. Also diktierte ihn Siebenstädter quer durch die Stadt, um seine Kumpels wiederzufinden. Eine Stunde später stießen sie im Innenhof der Arkaden auf sie, wo die Herren in ihrem Delirium den Ausgang nicht mehr fanden. Sachse war nun alles egal, Hauptsache, er konnte den Professor endlich loswerden, was er denn auch tat.
Um kurz nach Mitternacht war er schließlich zu Hause. Er legte sich aufs Sofa, um Eileen nicht aufzuwecken, fluchte noch ein bisschen über Siebenstädter, sein Berufsbild und die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und schlief dann binnen Sekunden den Schlaf des Gerechten.
In einer alten gelben Villa mit drei Fahnenmasten vor der Tür trafen sich soeben in aller Stille mehrere Männer. Im Chargiertenzimmer der freien Landsmannschaft »Rhenania Bavaria« stand Irrlinger breitbeinig wartend am Fenster und blickte völlig in sich versunken hinunter auf den Coburger Bahnhof. Er hatte sehr lange überlegt und war alle Möglichkeiten durchgegangen. Natürlich hatte ihn der Tod von Josef Simon so tief erschüttert wie kein anderes Ereignis in den letzten Jahren, aber niemand auf dieser Welt würde ihm das ansehen. Irgendwann war ihm ein leiser Verdacht gekommen. Eigentlich hatte er die Angelegenheit schon als erledigt betrachtet, sie war ja auch ziemlich lange her, und trotzdem war der Verdacht immer stärker geworden. Er hatte noch keine Vorstellung über das Wie und Warum, aber fest stand, dass irgendjemand einen von ihnen mit einem Pfeil getötet hatte. Wäre es ein Messer gewesen, eine Schusswaffe oder Gift, Irrlinger hätte keinen weiteren Gedanken an die Sache verschwendet. Doch ein Pfeil war ein Pfeil. Die Tatsache veränderte alles, durch sie wurde die Situation nicht nur mysteriöser, sondern vor allem auch gefährlicher. Er musste nach dem Ausschlussverfahren vorgehen, um das Ausmaß der Bedrohung einzugrenzen. Er hatte sie sofort alle einberufen, und alle waren seinem Ruf gefolgt.
Als Letzter traf der Fuxmajor ein, der Ausbildungsleiter. In voller Chargenwichs betrat Rene Amann den Raum. Mit einem düsteren Blick begrüßte er wortlos die anderen, die sich leise murmelnd in der Mitte des Raumes unterhielten. Er erkannte den Erstchargierten in seinem schwarzen Anzug, der gerade mit dem ebenso gekleideten Fechtwart sorgenvolle Blicke austauschte. Der Altherrenvorsitzende Gerhard Irrlinger drehte sich um, als der Fuxmajor die alte Holztür hinter sich schloss. Irrlinger stand noch immer breitbeinig da, so wie in der letzten halben Stunde, in der er schweigend aus dem Fenster gesehen hatte. Jetzt musterte er mit stechendem Blick einen Anwesenden nach dem anderen. Niemand wagte es, auch nur einen Laut von sich zu geben, es war das ausschließliche Recht des Altherrenvorsitzenden, den außerordentlichen Konvent zu eröffnen.
»Meine Herren, wir hatten einmal einen Gast«, eröffnete Irrlinger die Zusammenkunft nach einiger Bedenkzeit, »einen treuen Gast, einen alten Freund, der sich in den Dienst unserer Sache stellen wollte. Ein Kamerad, der heute einem Mordanschlag zum Opfer gefallen ist. Einem Verbrechen, das, wie ich glaube, begangen wurde, weil Sie mir etwas verheimlichen. Und genauso feige, wie dieses Verhalten ist, genauso kompromisslos werden für die Beteiligten die Konsequenzen sein. Können Sie mir in diesem Punkt zustimmen, meine Herren?« Die Anwesenden nickten, und Irrlinger fuhr im gleichen, düsteren Duktus fort. »Aufgrund der allgemein bekannten Vorfälle und der meines Erachtens ziemlich bedrohlichen Situation erwarte ich von Ihnen umfassende Aufklärung, verstanden?«
Damit ließ Irrlinger den Rest der Versammlung schweigend zurück. Die Männer grübelten, niemand würde dem Altherrenvorsitzenden Gerhard Irrlinger in dieser Sache widersprechen, dafür waren die Umstände zu klar. Sie würden etwas unternehmen müssen, und zwar ziemlich schnell.
Sie diskutierten und berieten bis weit nach Mitternacht. Ein
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