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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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mehr für eine Stimmungsumfrage gewesen. Niemand wusste auch nur annähernd, wie viele Stimmen das mediale Schlachtfest gekostet hatte, aber die zahlreichen Beobachter von Print und Fernsehen waren geschlossen der Meinung, dass dies kein Ruhmesblatt für die fränkische Sache gewesen war.
    Er hatte sich gestern noch unbedingt mit Gerhard Irrlinger treffen wollen, aber der schien vom Erdboden verschluckt worden zu sein, war nicht zu erreichen gewesen, einfach abgetaucht. Ein weiterer Grund für die hochinteressierte Medienlandschaft, die Abstimmung und deren dilettantische Hauptdarsteller öffentlich zu zerfleischen, zuallererst einmal ihn, Manfred Zöder. Ein anderer Kopf, auf den man draufhauen hätte können, war ja nicht da. Dementsprechend beschissen hatte Zöder in der letzten Nacht geschlafen. Ein Alptraum hatte den nächsten abgelöst. Am schlimmsten war der gewesen, der ihn kurz vor fünf Uhr in der Früh hatte schweißnass aufwachen lassen.
    Eine abgetakelte Figur, die sein Traum mit einem ziemlichen Buckel ausgestattet hatte, hatte eine Gruppe Japaner durch ein verfallenes Museum in den Höhlen eines dunklen Berges geführt. Hoch über seinem Kopf hielt Anton Kropock einen hölzernen Spazierstock, an dem ein kitschiges Bildnis von Ludwig II . baumelte. In seiner Hand brannte eine stark rußende Fackel, an der auf einer Seite das flüssige Pech hinuntertropfte. Der fränkische Quasimodo führte die ehrfürchtige Truppe durch die spärlich beleuchteten Räume der historischen Stätte und gab dumpf und stoisch seine Botschaft von sich: »Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie hier im ehemaligen Kriegsmuseum der CSU auf Kloster Banz. Wir beginnen jetzt mit der Führung. Wenn Sie mir bitte folgen möchten.«
    Mit einer dramatischen Geste versammelte er die Japaner um sich, die seinen Worten mit großen Augen lauschten. Parallel dazu versuchte ein überforderter Simultandolmetscher das Gehörte sinngerecht vom Fränkischen ins Deutsche und von dort ins Japanische zu übersetzen. Das dauerte.
    »Auf Schloss Neuschwanstein verbrachte der unglückliche König Ludwig seine letzten Tage, bevor sein Leben schließlich im Starnberger See endete. Über die Umstände seines Todes gibt es die unterschiedlichsten Vermutungen. Irgendwelche Fragen? – Keine? Gut, dann kommen wir ins Bocksbeutelzimmer.« Kropock drehte sich um, ging den Asiaten voraus und blieb in einem bunkerähnlichen Raum stehen. Die Fackel rußte weiterhin fleißig und schickte ihren unstet flackernden Schein durch den Raum.
    »Dieses Zimmer wurde von der letzten bayerischen Ministerpräsidentin Gabriele Pauli so benannt. Gabriele Pauli, von der Sie hier noch eine ziemlich misslungene Statue sehen können, leitete von hier aus die letzten Verteidigungsmaßnahmen ihrer fränkischen Gefolgschaften. Irgendwelche Fragen? – Keine? Gut, dann kommen wir in die Franz-Josef-Strauß-Gedächtniskapelle.«
    Wieder drehte sich der Bucklige um und schritt den Japanern voran, bis er schließlich an einer Art Minibasilika zum Stehen kam. In den Stein an der Front des großen Reliefs waren schwarze Jahreszahlen gemeißelt, in etwa zwei Meter Höhe stand eine weiße Marmorbüste des sehr ernst blickenden Verstorbenen in Originalgröße.
    »Sie sehen hier den Schrein mit den Reliquien des heiligen Franz Josef. Der Schutzheilige war zeit seines Lebens ein Symbol der Kraft und Macht seiner Partei. Unter ihm und seinen Nachfolgern regierte die CSU in Bayern glücklich und zufrieden bis zum historischen Jahre 2027, in dem die allseits bekannten fürchterlichen bayerischen Erbfolgekriege begannen.« Erich Kropock schnäuzte kurz auf den Boden und wischte sich dann mit dem rechten Ärmel seines fleckigen Gewandes über die Nase, bevor er fortfuhr.
    »In dieser Mauernische sehen Sie den unglücklichsten Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Horst Seehofer. Nach dem Bekanntwerden seiner Homosexualität und eines ausländischen Geliebten in Erfurt wurde er trotz eines Ehrenwortes während eines Hochamtes vom Münchner Erzbischof vergiftet. Er war das erste Opfer und zugleich Auslöser der ersten Schlacht. Beachten Sie die gekrümmte Haltung der Statue, das verzerrte Gesicht und die tiefe Hoffnungslosigkeit in den glasigen Augen.«
    An diesem Punkt war Manfred Zöder das erste Mal schreiend aufgewacht. Es dauerte eine Weile, bis er realisierte, dass alles nur ein Traum war. Zitternd ging er auf die Toilette, um sich zu erleichtern und legte sich anschließend wieder

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