Drei Engel für Armand
sie in einem langen Speisezimmer stand. Marmorstufen, an deren lebenden Geländern blaue und weiße Blumen blühten, schwangen sich zu beiden Seiten in weiten Bogen an den Wänden empor. In der Mitte des Raums stand ein Tisch aus glänzendem schwarzem Stein. Am anderen Ende des Tischs, hinter den Platten und den Kelchen, brannte mit warmer, blauer Flamme ein goldenes Kohlebecken.
Brahkop der Troll erhob sich soeben von einem überdimensionalen Stuhl. Zu seiner Linken, am Kopfende des Tischs, saß eine schlanke Frau in einem Gewand aus weißer Seide – die Herzogin vermutlich. Sie war eine kleine Frau, fast kindhaft. Goldene Fäden in ihrem Kleid webten Bilder von Vögeln, die endlose Kreise um ihren Rumpf zogen und sich verbogen und Sturzflüge machten, um den Konturen ihres Körpers zu folgen. Ihr Haar war von reinem Weiß, kurz geschnitten und unbändig. Ein dünnes Platindiadem lag auf ihrer Stirn, verziert mit Jadesplittern. Lange, spitz zulaufende schmale Ohren endeten genau über ihrer Krone. Ihre Augen waren zu groß für ihr Gesicht, und sie waren starr auf Danielle und Talia gerichtet.
Neben ihr, ihre Hand in seiner haltend, saß Prinz Armand.
Er trug ein schwarzes Gewand, das im selben Stil wie das der Herzogin geschnitten war. Ein schlangenförmiger Drache aus Silberfäden wand sich wellenförmig um seine Brust, als er aufstand. An seiner Hüfte hing noch sein Schwert. Es schnürte Danielle das Herz zu: In Armands Augen lag kein Zeichen des Erkennens.
»Herzogin!«, fuhr Brahkop auf. »Sie ist nichts weiter als ein Sklavenmädchen, eine aufsässige Dienerin meiner Frau!«
Alles wahr, bemerkte Danielle. Unvollständig, aber wahr. Brahkop war sorgsam darauf bedacht, die Herzogin nicht zu belügen.
Danielle machte den Mund auf – und brachte kein Wort heraus. Wie lautete die korrekte Anrede für eine Herzogin? Mylady? Eure Hoheit? Waren bei den Elfen die Titel anders? Ihre Studien mit Des Sterblichen Wegweiser zur Höflichkeit im Elfenland schienen eine Ewigkeit her. Das Letzte, was sie wollte, war, die Herzogin zu beleidigen.
Sie warf einen Blick über die Schulter, doch Talia schien auf sie zu warten. Wollte sie tatsächlich Danielles Beispiel folgen?
Danielle schluckte und näherte sich dem Tisch. »Ich komme wegen meines Ehemanns … Eure Hoheit.« ›Hoheit‹ schien ihr, ungeachtet der Körpergröße der Herzogin, die passende Anrede zu sein. Der Gesichtsausdruck der Herzogin änderte sich nicht. »Prinz Armand wurde mir von meinen Stiefschwestern, Charlotte und Stacia, genommen. Dieser Troll half ihnen dabei, die Gefühle des Prinzen mittels Hexerei zu manipulieren.«
Die Herzogin führte Armands Hand an ihre Lippen und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Fingerknöchel. Danielle war zumute, als ob sie einen Kloß im Hals stecken hätte.
»Ich weiß nichts von Hexerei.« Ihre Stimme war melodisch. »Und Eure Stiefschwester Stacia ist Wirt einer Königin, was ihr eine höhere Stellung verleiht als Euch, selbst wenn Euer Anspruch ein ehrlicher ist. Sie sagt mir, Armand folgte ihr aus eigenem Antrieb.« Lange Finger streichelten den Arm des Prinzen. »Im Lauf der Zeit hat Armand meine Gastfreundschaft zu schätzen gelernt.«
Danielles Hand war auf halbem Weg zum Schwert, bevor sie sich wieder fing. Ohne Zweifel war es genau das, was die Herzogin wollte: Wenn Danielle sie angriff, würde sie sich innerhalb ihrer Rechte bewegen, wenn sie sich verteidigte.
»Kennst du dieses Mädchen, Armand?«, fragte die Herzogin.
Armand schürzte die Lippen. Seine Haare waren länger als beim letzten Mal, als Danielle ihn gesehen hatte, und verliehen ihm ein schmuddeliges, wildes Aussehen. Seine Haut war blass geworden, seine Bewegungen waren schlaff.
Danielle suchte nach irgendwelchen Anzeichen des Erkennens in diesem stoppligen Gesicht.
Armand hatte sich noch nie der besten Augen rühmen können. Wieso sonst hätte er Danielles stehen gelassenen Pantoffel mitbringen müssen, um ihre Identität zu bestätigen, nach dem Ball? Aber jetzt musste er sie bestimmt erkennen!
»Ich meine schon«, sagte Armand langsam. Seine nächsten Worte zerstörten jedwede Hoffnung, die Danielle sich gemacht haben mochte. »Warst du nicht eine Bedienstete in meinem Palast?«
Brahkop kicherte. Die Herzogin wandte sich wieder Danielle zu.
Danielle zeigte auf den Troll. »Meine Stiefschwester mag Wirt einer Königin sein, aber er ist nichts weiter als ein Exilant, verbannt sowohl aus Elfstadt wie auch aus Lorindar. Fragt
Weitere Kostenlose Bücher