Drei Engel für Armand
Weißwein müsste das Rot bleichen, dann würde es nicht mehr so sehr auffallen. Sie drehte sich um, um nach einer Flasche Weißwein zu fragen, und biss sich auf die Lippen. Talia hatte recht: Sie war keine Dienerin mehr. Aber mit alten Gewohnheiten war schwer zu brechen.
»Die Vögel – Ihr richtet sie ab?«, fragte Talia.
»Nicht direkt.« Danielle nahm noch ein Stück Brot für die Taube und überlegte dabei, wie sie es erklären könnte, ohne eine weitere Bedienstete davon zu überzeugen, dass ihre neue Prinzessin verrückt war. Dies war das erste Mal, dass Talia das Wort an sie gerichtet hatte, ohne dass es ihre Pflichten erforderten. »Du kümmerst dich normalerweise um die Königin.«
Ein kurzes Nicken, während Talia die Kerzenhalter zu beiden Seiten des Fensters richtete. Jeder war aus handgeschnitzter Eiche und ähnelte von der Form her einem Drachen. Der Schwanz des Drachen hielt die Kerzen, und ein Spiegel, den er mit den Klauen umklammerte, warf das Licht in den Raum zurück.
»Hast du Familie hier im Palast?«, startete Danielle einen neuen Versuch.
»Nein.«
Schweigen machte sich zwischen ihnen breit, bis ein Rufen draußen im Gang Danielle zusammenzucken ließ.
»Ich wünsche sofort meine Stiefschwester zu sehen!«
Danielles Kehle schnürte sich zusammen, als Charlotte ins Zimmer platzte, eskortiert von zwei Wachen. Die Hochzeit lag jetzt nahezu vier Monate zurück, doch der Anblick ihrer älteren Stiefschwester reichte beinahe immer noch aus, um ihr eine Verbeugung zu entlocken. Beinahe.
»Ihr könnt gehen«, sagte Danielle zu den Wachen.
Diese zögerten, dann verneigten sie sich und zogen sich zurück.
»Seid Ihr sicher, Hoheit?«, fragte Talia.
»Sie ist immer noch meine Schwester.« Danielle zwang sich, Charlottes wütendem Blick zu begegnen. Kleine, fast verheilte Wundschorfstellen verunstalteten das wunderbare Porzellan ihrer Wangen. Charlotte war größer als Danielle und hatte anmutige, schlanke Gliedmaßen. Sie trug einen schweren blauen Umhang mit Goldbesatz, der ihre braunen Locken akzentuierte; silberne und goldene Bänder waren durch ihr Haar geflochten.
Charlottes Halsmuskeln spannten sich an, als sie ihrerseits Danielle musterte: das smaragdfarbene Kleid, den silbernen Kamm in ihrem Haar und den schlichten Rubinarmreif. Auf den Reif hatte eine ihrer Zofen bestanden, da er angeblich Danielles Augen besonders betone. Danielle kämpfte dagegen an herumzuzappeln. Der Luxus des Palastlebens verursachte ihr immer noch Unbehagen, aber sie hatte nicht vor, sich vor Charlotte dieses Unbehagen anmerken zu lassen.
Dies war nicht das erste Mal, dass Charlotte den Palast besuchte und ihre Verwandtschaft mit der Prinzessin dazu benutzte, sich bei verschiedenen Adligen einzuschmeicheln. Danielles Gemächer hatte sie jedoch vorher noch nie aufgesucht.
Die Monate hatten es nicht gut gemeint mit Danielles Stiefschwester. Charlottes Mutter hatte sie für ein Leben in Luxus aufgebaut und sie kläglich unvorbereitet darauf gelassen, den Haushalt zu führen, der einst zu Danielles Vater gehört hatte. Charlottes Gesicht war blasser, als Danielle es in Erinnerung hatte, und um ihre blutunterlaufenen Augen lagen Schatten.
Talia ging ums Bett herum und stellte sich zwischen Danielle und Charlotte. »Möchte die Lady etwas zu essen oder zu trinken?«, fragte sie.
»Ich bin nicht hier, um zu speisen!«, blaffte Charlotte. »Ich bin hier um –« Ihre Stimme wurde zu einem Quieken, als sie die Taube bemerkte, die auf dem Gobelin hockte. Sie wich zurück, bis sie gegen die Tür stieß, ohne ihren entsetzten Blick auch nur einen Moment von dem Vogel abzuwenden.
»Schafft mir sofort dieses widerliche Tier aus den Augen!«
Die Taube plusterte ihr Gefieder auf und schlug mit den Flügeln, wobei der Rest der Kruste auf den Boden fiel. Charlotte schrie. Sie hob die Hände, um ihr Gesicht zu schützen, genau wie sie es bei Danielles Hochzeit getan hatte.
Bei der Erinnerung daran zuckte Danielle zusammen. Sie musste an das hasserfüllte Starren ihrer Stiefschwestern und den kalten, berechnenden Blick in den Augen ihrer Stiefmutter denken, während sie zusahen, wie Danielle und ihr neuer Gemahl durch die Menge der Gratulanten schritten. Sie hatte die Finger fester um Armands Arm gelegt und sich gesagt, dass sie sich diesen Tag nicht von ihnen verderben lassen würde. Dies war ihr Tag gewesen. Ihrer und der Armands. Endlich war sie frei.
Trotz allem waren Tränen in ihre Augen getreten. Es hätte ihre
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