Drei Frauen im R4
Frauenfreundschaft für die Nachwelt festzuhalten.
»Her damit!«, schrie Nele.
»Runter mit dir!«, brüllte Renate und zog an mir.
Klick, hörte ich Frau Fröhlichs Apparat. Wir rangelten eine ganze Weile, und wäre es nicht für mich um Leben und Tod gegangen, hätte ich bestimmt gelacht. Das war ja eine Situation wie im Paten . Ich werde dir ein Angebot machen, das du nicht ablehnen kannst.
»Nein! Nein! Nein!«, schrie ich, und: »Niemals!« Ich würde nicht telefonieren, versprochen! Und ich würde mich so gut wie immer daran halten, auch versprochen! Natürlich würde ich heimlich meine Mailbox abrufen. Aber das tat doch niemandem weh.
»Ich gebe mein Handy nicht ab!« Trotzig umklammerte ich das kleine Ding mit beiden Händen. Ich musste doch Wolfgang anrufen können. Wir drei würden uns so auf den Sack gehen, wie mir noch nie etwas auf den Sack gegangen war, das wusste ich jetzt schon, und mit wem sollte ich darüber sprechen? Schweigend hielt Nele mir den vermaledeiten Karton unter die Nase, in dem die anderen Handys bereits wie in einem Särglein ruhten.
»Ein letztes Mal: Her damit!«, forderte Nele mich auf. Eine Stimmung wie in Zwölf Uhr mittags ! Die Vögel hörten auf zu zwitschern, die Luft stand, die Hitze sirrte, und der Postbote verkroch sich hinter einem Haselnussstrauch. Gleich würde ein Schuss fallen, ich wusste es, aber dieser Moment konnte auch noch Stunden dauern. Aus Renates und Neles Augen blitzte es gefährlich. Kein Wort fiel, nur eine Schwalbe flatterte tief durch den Hof, und die beiden Handys klackerten leise in der Schachtel.
»Nur noch ein Anruf!« Ich ging in die Knie und rief mit zitternden Fingern Wölfchen im Adressbuch auf.
»Wolfgang?«, schrie ich ins Telefon, geradeso als würde ich demnächst die Erdumlaufbahn verlassen.
»Ach, wie herrlich, zwei Wochen ohne Handy und Computer«, freute sich Wolfgang am anderen Ende der Leitung.
Das war es nicht, was ich von ihm hören wollte. Er sollte sich aufregen, klagen und sich weinend auf die Erde werfen. Pläne mit mir schmieden, von welcher italienischen Telefonzelle aus ich ihn wann erreichen konnte. Mir nachreisen. Angst um mich haben. Verzweifelt sein. Nichts davon kam.
»Du liebst mich nicht!«, rief ich theatralisch.
»Du wirst dich wunderbar erholen«, beruhigte er mich. »Nun freu dich doch ein bisschen.«
Nun freu dich doch ein bisschen! Ich schickte ihm einen letzten Kuss durchs Telefon.
»Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.« Mit Todesverachtung warf ich das Telefon zu den anderen in die Schachtel.
»Ist es auch aus?«, rief ich Nele nach, und Frau Fröhlich fotografierte mein schiefes Gesicht.
Die Glocken der Dorfkirche schlugen wieder, Renate und Nele waren für die Reise nun bereit.
Kapitel 3
Daumen im Wind
- Udo Lindenberg -
»Wir fahren so wie immer«, bestimmte Renate, als wir in die verbotene Abkürzung durch den Weinberg einbogen. Ihre geflochtenen Zöpfe wippten bei jedem Schlagloch, das sie treffsicher mitnahm. Als Lehrerin war Renate daran gewöhnt, sich durchzusetzen. »Das macht richtig Spaß!«, jubelte sie. Noch freust du dich, dachte ich, aber auch deine Gebärmutter ist müde.
»So wie immer« bedeutete, dass die Wagenlenkerin den Weg bestimmte, dass ihre Musik gespielt wurde und dass sie die Frequenz der Pausen festlegen durfte. »So wie immer« hieß auch, dass dieser Urlaub in Weißenburg beginnen würde. Weißenburg war von Landau nur einen Katzensprung entfernt, lag aber in Frankreich, und deshalb war man schon ganz woanders, auch wenn man gerade erst losgefahren war.
»Mit einem Kaffee in Weißenburg beginnt der Urlaub«, rief Renate.
Die Fahrt von Landau nach Weißenburg dauerte nur eine knappe halbe Stunde.
»Gianna Nannini?«
Obwohl ihre Frage nach einer demokratischen Abstimmung klang, würde unser Kassettendeck gleich nur noch Renates Musik spielen. Krautrock, Herwig Mitteregger, Meat Loaf, Ulla Meinecke und natürlich jede Menge Frau Nannini. Und ausgenommen von Bello e impossibile fand ich die nur laut, ihre Lieder zu fordernd und furchtbar feministisch. Ich konnte mich gut an die Frauentanzbars erinnern, in denen sich die Lesben mit geballter Faust zu dieser Hymne verrenkten. Renate trällerte sofort in feinstem Italienisch mit, und Nele drehte sich zu mir um und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Ja, ja, die Kooperative. Das Lied versetzte Renate in Übermut, und Fuchur verwandelte sich in eine angestochene Sau. Ich flog zur Seite, und aus der Tasche
Weitere Kostenlose Bücher