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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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zählte nun schon zum zweiten Mal die Scheine in der Niveadose, »gibt’s jetzt für jede einen Kaffee.« Sie hob mahnend den Zeigefinger. »Aber nur to go , auch wenn es das damals noch nicht gab.«
    »Eben«, motzte ich.
    Ein japanischer Tourist sah uns und filmte sofort los. Ich streckte ihm die Zunge raus. Später, wieder daheim, konnte er dann erzählen, er hätte in Europa eine Spezies von Amish People gesehen, die sich wie Maori begrüßten.
    »Na bitte, wie für uns bestellt.« Nele zeigte auf eine Parkbank. Immerhin, sie stand auf einem lauschigen Plätzchen, gleich neben einem Springbrunnen, und von der Bank aus sahen wir das alte Münster. Es lag in goldenes Licht getaucht, insgesamt ein schöner Anblick. Vielleicht war das ein gutes Omen.
    »Weißt du«, stupste ich Renate an, »ich hab einfach ein bisschen Muffe, dass mir diese Zelterei nicht gut bekommt. Das harte Liegen ist nichts für mein Kreuz.«
    »Ach was, dann mach ich dir ein Lager aus meinen Kleidern«, beruhigte sie mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Und noch was«, sie schlug einen sanften Ton an, »tut mir leid wegen vorhin, war nicht so gemeint.«
    »Schon gut«, winkte ich ab. Wir kannten und stritten uns seit über dreißig Jahren. »Du bist eben voll auf dem Trip und ich noch nicht. Schau, da kommt auch schon Nele mit dem Kaffee.«
    Die Feder, die Nele sich in die Locken gesteckt hatte, wippte mit jedem Schritt und schien unsere Freundin ein Stück mit sich in die Höhe zu liften. Federleicht und schwungvoll war ihr Gang, und ich erinnerte mich an eine wissenschaftliche Untersuchung, die besagte, dass Menschen wirklich jünger werden, wenn sie einfach so tun, als ob dies so ist.
    Die Konditoreibesitzerin war nicht jung. Sie sah noch genauso hochnäsig wie vor zwanzig Jahren aus, mit ihren hochtoupierten Locken und der spitzen Nase. Ganz die Madame, aber aus Weißenburg nie weggekommen. Solche Menschen waren mir die liebsten. Und die Feder im Haar, die konnte man bei ihr vermutlich lange suchen. Nicht mal Daunenfedern aus dem Bett wagten sich an die heran. Ausgiebig wischte sie draußen die Tische und sah dabei immer wieder zu uns rüber. Sie wusste wohl nicht so recht, in welche Schublade sie uns drei Walküren stecken sollte.
    »Mmh.« Nele nippte am Kaffee, lehnte sich genussvoll auf der Bank zurück, schloss die Augen und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Renate und ich taten es ihr gleich, und alle drei, wie auf Befehl, streckten wir die Beine aus. Zum ersten Mal seit Stunden hatte ich das Gefühl, dass aus dieser Reise doch noch etwas werden könnte. »Machen wir nachher im Münster ein Kerzchen an«, nuschelte Nele.
    »Ja, das machen wir.«
    »Als ich damals in Italien war«, erzählte uns Renate mit geschlossenen Augen, »da war es so heiß, dass ich fast nur in Kirchen hockte. Aber selbst dort war der Marmor warm geworden.«
    »Mmmmh«, stimmte ich ihr schläfrig zu und schob die Gedanken weg, die sich mir mit dem Stichwort »heiß« aufdrängen wollten, ein Wort, das mein Chef benutzte, wenn es um schnelle Aufträge ging, die wieder einmal eine Nachtschicht verlangten. Mit geschlossenen Augen nippte ich am Kaffee. Schön, jetzt so dösen zu können, ohne zu wissen, was man verpasste.
    »Hey, fahrt ihr zufällig Richtung Italien?«
    Ein Schatten fiel auf unsere Gesichter. Wir erschraken und setzten uns abrupt auf. Das geht aber schnell, dachte ich und erkannte einen jungen Mann, den ich auf nicht mal dreißig schätzte.
    »Wie kommst du darauf, dass wir nach Italien wollen?«, fragte ich ihn geradeheraus.
    »Weil alle Reisen nach Italien mit einem Kaffee in Weißenburg beginnen«, sagte der Junge. Seine Selbstsicherheit versetzte mir einen kleinen Stich. »Sorry, ich bin übrigens Marco«, stellte er sich vor. Er trug einen Blumenkranz auf dem Kopf. Der Kranz war ganz frisch, als hätte Marco erst vor wenigen Minuten ein »Blumen zum Selberpflücken«-Beet rasiert.
    »Genau Renates Typ«, flüsterte Nele mir ins Ohr. In der Tat. So ein Blumenkranz, kombiniert mit diesem hübschen Lachen und den Grübchen, das war genau nach Renates Geschmack.
    »Außerdem«, Marco tippte auf das Italienischwörterbuch, das neben Nele auf der Bank lag, »war ich schon immer ein kleiner Sherlock Holmes.«
    Renate lachte laut auf. Ruckartig schauten Nele und ich zu ihr hinüber. Sie hielt den Kopf dabei etwas schief, ein deutliches Signal.
    »Rutscht ihr ein bissel, dann pass ich zu euch auf die Bank.«
    »Ähm …«, stotterte

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