Drei Frauen im R4
Nele glucksend. »’81 gab es noch kein Plastikgeld.«
Wir lachten und lachten, bis uns die Bäuche weh taten.
Das war zu viel für Marco, und wie das HB-Männchen ging er in die Luft. »Ihr habt sie doch nicht alle! Ihr geht mir so was von auf die Eier mit eurem affigen Hippiegetue«, rief er.
Wutentbrannt riss er Toby aus dem Wagen und warf ihn sich über die Schulter. Das Smartphone schon in der Hand, stapfte er davon und kickte im Weggehen noch ein paar bunte Kassetten zur Seite, die hinter dem Rucksack aus dem Auto gefallen waren. »Marietta, die Alten hier spinnen, ich tramp weiter. Sag meiner Süßen, sie soll einen Tag dranhängen, und gib ihr einen Kuss«, hörten wir ihn bereits aus der Ferne. Dann war er weg. Ohne was zu essen, was für Mütter eigentlich nur ganz schwer auszuhalten ist.
»Habt ihr das gehört?«, fragte ich entrüstet.
»Ich fass es nicht«, ereiferte sich Nele. »Das kleine Arschloch wollte nur billig in die Berge kommen! … Gib meiner Süßen einen Kuss … boah, das ist mal richtig frech!«
»Und wir Kühe sind drauf reingefallen.« Ich wagte kaum, zu Renate hinzusehen. Doch sie saß ganz entspannt im Gras und schnitt die Salami in hauchdünne Scheiben auf.
»Wenn der wiederkommt, dann knall ich ihm eine runter«, fuhr es aus Nele raus, was eine große Behauptung für sie war.
»Der kummt nimmi«, schnitt Renate in Seelenruhe weiter die Salami auf.
Ich wusste nicht, wie verletzt sie von dieser Susi war. Mir wäre es zumindest so gegangen. Da schleppst du so ein Blumenkränzchen ab und servierst ihn deinen Freundinnen mit Berlin, urbanem Design und Blumenkranz, und dann stellt sich heraus, dass er dich ausgenommen hat, wie so ein dunkelhaariger Loverboy am Strand, der dich vielleicht ganz nett findet, aber viel mehr noch will er einen Lift. Das ist erniedrigend, und deswegen wunderte ich mich, dass Renate nicht überkochte oder heulte, sondern seelenruhig Salami schnitt. Und weil mir nichts Besseres einfiel, aß ich ein paar Scheiben, und sie schmeckten überraschend gut.
»Vielleicht hatte er ja eine Störung«, versuchte Nele die Sache für sich zu ergründen.
»Lass gut sein, Nele«, Renate steckte sich eine Zigarette an. »Nicht zu viele Worte über einen Tramper, der ausgestiegen ist.«
»Der isch kapputt …«, zitierte Renate den guten alten Schneckenwitz, während wir uns hinlegten und Schäfchenwolken zu zählen begannen. Der Schneckenwitz war ein hirnrissiger Witz, den man eigentlich nur spät am Abend, am Lagerfeuer und mit einer Flasche Lambrusco in der Birne erzählen durfte. Ungeschlagen war darin Schnüff Sneyder, ein Typ aus Renates Clique, weil er es schaffte, trotz des Blödsinns ernst zu bleiben.
Die Autos, die an uns vorbeibrausten, wurden weniger, und die Dunkelheit nahm zu. Wir hatten einen Jüngling verloren und eine Nacht für uns gewonnen. Um die Autobatterie zu schonen, legten wir keine Kassette ein, sondern holten die Klampfe und die Mundorgel aus dem Auto. Renate spielte, und wir sangen leise all die Lieder, die damals unsere Lieblingssongs gewesen waren.
Bevor es vollständig dunkel wurde, stand Nele auf und sammelte Steine aus dem Straßengraben. Wir klaubten Stöcke und Reisig zusammen und machten ein kleines Lagerfeuer. Renate zupfte Greensleeves , und obwohl es traurig war, war es doch wie gemacht für diesen Augenblick. Mit Marco wäre es nie so schön geworden, da war ich mir ganz sicher. Er hätte das besondere Netz zerrissen, das uns gerade miteinander verband.
»Romantisch, nicht wahr?«, sprach Nele unser aller Gedanken aus. Sie hatte die Gitarre übernommen, und ihre Finger glitten so mühelos über die Saiten, dass ich Lust bekam, meine Gitarre zu Hause mal wieder in die Hand zu nehmen. Wir drei hatten früher oft zusammen Musik gemacht. Nur so für uns, im Park oder in der Fußgängerzone, wo wir dann auf der Erde im Schneidersitz saßen, ohne Hut und Bettelei, sondern einfach um zu singen oder um Freundezu gewinnen.
»Es ist ein kleines Wunder«, sagte ich, und Renate stimmte You’ve got a friend an.
Das war unsere Hymne. Damit war alles gesagt, was es in diesem Moment zu sagen gab.
Ein sanftes Lüftchen wehte, und in der Ferne rief ein Käuzchen. Glühwürmchen tanzten über der Wiese, und die Schnaken, die ich hörte, stachen hoffentlich nicht zu. Renate reichte mir wortlos das Lavendelöl, das schon immer gegen alles geholfen hatte, und unser Feuerchen knisterte leise. Ganz allmählich breitete sich in mir das alte
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