Drei Frauen im R4
da, dass man es auch erreicht.« Nele schlüpfte in die Kleider, die sie am Abend vorher ausgezogen hatte. Ihre Stimme klang nach Kindergarten: Aufräumen, und dann einen Stuhlkreis aufgestellt!
»Und duschen?«, erkundigte ich mich vorsichtig. »Ist das auch auf dem Plan vorgesehen?«
Renate hatte sich die Streusalzdose bereits an den Mund gesetzt. »Ich wasch mich nicht«, machte sie gurgelnd klar. »Schließlich stinken wir nicht, sondern Schweiß hat ein absolut natürliches Aroma. Viele Parfums würden ohne Schweiß nach gar nichts riechen.«
Ich hielt die Luft an. In meinen Parfums war kein Schweiß, das wusste ich genau. Renates Schweiß war auf jeden Fall für Parfum jeglicher Art nicht zu gebrauchen.
»Du duftest auch nicht gerade nach Veilchen.« Renate hatte mein Luftanhalten bemerkt.
»Hier ist dein Kaffee.« Nele reichte mir eine Blechtasse, darin war die dampfende Plörre, die ich schon vom Vortag kannte. »Trink einen Schluck, er wird dir guttun.«
Ich nahm den Becher und fühlte mich schlagartig wie nach einer durchzechten Nacht, als mir das Rotweinaroma aus dem Becher in die Nase wehte. Frisch machte dieser Kaffee nicht! Renate hatte noch keinen Kaffeedurst. Sie platzierte sich stattdessen mitten in den Löwenzahn, um ihr Morgenyoga zu machen.
»Angeberin«, zischte ich zwischen den Zähnen durch. Wie ein Blatt knickte sie in der Körpermitte ein, um sich dann langsam wieder aufzurichten. Ich betrachtete mit unverhohlenem Neid die Bewegungen, die sie leichtfüßig machte. Wie Tanzakrobatik sah das aus, und das war schon als Kind nichts für mich gewesen. Als Renate sich lang streckte, den Kopf nach hinten warf und die Zunge gen Himmel streckte, gab mir Nele heimlich einen Kaugummi, den sie aus ihrer Jackentasche hervorgezaubert hatte.
»Willste?«, fragte sie. »Das ist ganz hilfreich, wenn man Kernseife oder Salz nicht mag. Gibt wenigstens ein Gefühl von Frische.«
»Marco wäre begeistert gewesen, dich so zu sehen«, kommentierte ich Renates Körperfolklore und versuchte derweil, den Kaugummi aus seinem verklebten Papier zu lösen.
»Ja«, stöhnte Renate genüsslich und flocht ihre Beine zu einem Schneidersitz. »Dann hätte er gesehen, dass auch alte Schachteln sich noch gut falten lassen.«
Leider konnte, was den Kaugummi betraf, von Frische keine Rede sein. Meine Stimmbänder versuchten vergeblich, sich gegen diesen Klebeangriff zu stemmen. Wie ein trockenes kleines Brett klebte der Kaugummi in meinem Mund. Das war noch schlimmer als der Pumpernickel. Vermutlich hatten Anna und Sarah die Packung bei einer Haushaltsauflösung erworben. Verfallsdatum: Mai 1983.
Renate stand inzwischen vor Fuchurs offenem Motor und befühlte ein paar Schläuche. »Ihm geht’s besser, das war wohl der Wassertank. Wie Nele gesagt hat.« Sie drehte den Wassertank auf. »Unser Drache ist nur heiß geworden. Ein paar Schluck Wasser, und alles ist wieder gut.«
»Hört ihr das auch?«, fragte ich. »Da blökt etwas.« Renate richtete sich auf.
»Ich hör nichts.« Sie ging ein paar Schritte in die eine und in die andere Richtung, dann kletterte sie auf einen Baumstumpf.
»Da ist ein Bach!«, rief sie von ihrem Aussichtspunkt und deutete aufgeregt zu einer Ansammlung von Büschen hin. »Kommt, wir können baden.«
Wie ein Reh sprang sie über die Wiese, und Nele lief hinterher. »Super, Wasser für Fuchur!«
Ich ging beiden sehr bedächtig nach, weil ich grundsätzlich nicht in Gewässern bade, die nicht allergiegetestet sind.
»Mir wäre ein schönes Café in einer Wellnesslandschaft lieber«, rief ich beiden störrisch hinterher, aber für meine Bedürfnisse interessierte sich hier keine Sau, das hatte ich ja schon mehrfach erfahren dürfen. Nölend bummelte ich über die Wiese und nahm mir vor, meinen Hintern keinesfalls in diesen Bach zu lassen.
»Trudi, wo bleibst du?«
Renate stand bereits knietief in den Fluten. »Puh, ist das kalt!«, stöhnte sie laut auf und ließ sich mit einem mutigen Plumps in das Wasser gleiten.
Wieder vernahm ich ein lautes Blöken. Verunsichert schaute ich mich um. Was, wenn uns eine Horde wild gewordener Tiere überrannte? Ich hatte doch gestern schon was gehört. »Renate, komm raus, da sind Schafe.«
»Tritt nicht auf einen Fisch«, warnte ich Nele, die mit einer Wasserflasche bewaffnet nun wie ein Storch durchs Wasser stakste.
»Wie haben wir eigentlich damals gesagt, wenn wir etwas klasse fanden?«, fragte sie uns, während sie die Flasche füllte. Klasse war
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