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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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Cowboygefühl von Freiheit aus. Jetzt bin ich im Urlaub angekommen, dachte ich. Auf einmal freute ich mich sogar auf die Würstchen aus dem Glas, die Nele auf den provisorischen Grill zu legen begann. Um uns war es stockdunkel, nur das Feuer leuchtete und schien in unseren Gesichtern wider.
    »Ich erzähl was«, sagte Renate plötzlich, und Nele und ich horchten auf. »Ich erzähl was« war der Beginn großer Geschichten, von Seelenbewegungen, mal traurig, mal fröhlich, aber immer mit Tiefengarantie.
    »Also, ich weiß, ihr wollt, dass ich mich wieder neu verliebe«, sagte Renate in die Dunkelheit hinein. Und sofort pusteten Nele und ich die Backen auf, nein, nein, das wollten wir ganz sicher nicht, und Marco war doch eine lächerliche Figur gewesen, kein Mann, den man Renate an die Seite wünscht. Doch Renate hatte gar nicht Marco im Sinn und gab uns ein Zeichen, still zu sein. »Ich steh dazu, dass ich kein Händchen für die Liebe habe. Habt ihr ja eben gerade gesehen.« Sie lächelte gequält. »So ein bissel Spaß und Flirten, das ist ungefährlich, aber mehr will ich nicht. Was ich meine, ist, dass ich mit meinem Leben glücklich bin, auch wenn es vielleicht manchmal nicht so aussieht. Du«, sie wandte sich an mich, »du brauchst diese Liebeleien vielleicht.« Sie machte eine Pause. »Du hast sie immer gebraucht.« Wieder eine Pause. »Aber ich nicht. Ich habe alles, was ich will. Ich bin eine glückliche Frau.«
    Komisch, dass man das nicht sah. Aber darf man das in diesem Augenblick sagen? Gleich am zweiten Urlaubsabend? Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um zu sagen: »Renate, aber so eine richtige Liebe, die tut nicht weh. Erinnere dich doch mal, wie glücklich du damals mit diesem Maurizio warst. Liebe ist doch keine Entscheidung, sondern ein Gefühl!«
    Wir tranken schweigend Rotwein und benutzten dafür dieselben Blechbecher, aus denen es morgen früh wieder Instantkaffee geben würde. Renate hatte recht. Früher hatte ich mich gern verliebt. Daran hatte sich nichts geändert, aber heute versuchte ich, mich immer wieder und ausschließlich in Wolfgang zu verlieben. Dem Feuer neue Nahrung zu geben. Die Verliebtheit nicht zu verlieren und ihr immer wieder neues Futter hinzuwerfen, damit sie nicht geht und sich einen anderen Spielgefährten sucht. Jedes Alter hat seine Herausforderung, dachte ich, und letztendlich geht es darum, eine Frau zu bleiben. Auch für sich selbst. Nele hielt es ähnlich wie ich, aber dass Renate grad so gar nicht lieben wollte … Ich suchte nach Worten, mit denen ich nachhaken konnte, die sie aber nicht verletzen oder aufwühlen würden.
    »Aber …«, setzte ich an, doch Renate atmete bereits schläfrig, und ich spürte Neles leichte Hand.
    »Lasst uns schlafen«, sie kuschelte sich neben mir zurecht. »Morgen wird ein langer Tag, denn wir fahren erst nach Basel und dann weiter nach Italien.«
    »Gute Nacht, Nele.«
    »Gute Nacht, Trudi.«
    »Gute Nacht, Renate.«
    Und jede traf dabei genau den Ton, wie wir ihn von den Waltons übernommen hatten.

Kapitel 5
    Ich hab ein zärtliches Gefühl
    - Herman van Veen -
    Eine milde und heimelige Nacht war es gewesen, mit einem fettgelben Speckmond, wie ihn Gertrude Degenhardt nicht hätte besser zeichnen können. Es war schlicht ein Traum, unter diesem Himmel zu liegen, solch ein Traum, dass man nicht mal zu träumen brauchte. Die Stille wurde nur durch das Gezirpe der Grillen und das Geraschel der Mäuse unterbrochen. Wenn es einen lieben Gott beziehungsweise eine liebe Göttin gab, dann hatte sie uns in dieser Nacht gesehen. Und sie hatte dafür gesorgt, dass ich einigermaßen gut gelaunt war, denn ich lebte noch und mein Rücken war stabil. Mehrfach war ich deswegen in der Nacht nervös aufgewacht und hatte mit hypochondrischen Antennen in meinen Körper hineingefühlt, aber es war alles in Ordnung. Ich konnte die Zehen prima bewegen, was den beruhigenden Schluss zuließ, dass mein Ischiasnerv, wenn schon nicht mit im Boot, dann doch mit im R4 war. Halbwach fiel mein Blick zu Fuchur, nein, er dampfte nicht mehr, und so war davon auszugehen, dass die Fahrt nach dem Frühstück weitergehen konnte. Die Uhr eines nahen Kirchturms schlug. Eins … zwei … drei … vier … fünf … Oje, noch so früh. Ich drehte mich auf die Seite und versuchte, noch eine Runde zu ratzen, wie wir früher sagten. Aber egal, welches Wort ich benutzte, meine Lider wurden nicht wieder schwer.
    Also wälzte ich mich wieder auf den Rücken, verschränkte

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