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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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ich hörte die Gedanken in ihrem wohlfrisierten Köpfchen klackern.
    »Wir machen auch nichts schmutzig«, schmeichelte Nele. Sie war ganz in ihrem Element. Erst die Schafe, dann dieses Einkaufsparadies, ein BH , der auf achtzig Cent runtergehandelt werden konnte, und jetzt auch noch eine Duschmöglichkeit. Das Leben hielt so viele Geschenke parat, man musste nur offen dafür sein.
    »Also, wenn Sie obdachlos sind«, die gute Frau verzog unsicher den Mund. »Aber Handtücher haben Sie dabei, oder?« Ihr Blick fiel auf das Regal, in dem alte Waschlappen gestapelt waren. Kratzige, farblose Fetzen, die allerhöchstens noch für einen Hausputz taugten.
    »Könnten wir vielleicht ein, zwei davon borgen? Das wäre wirklich sehr nett«, bat Nele zaghaft, doch ich hörte das Lachen in ihrer Stimme.
    Die Hände der Dame zitterten ein wenig, als sie uns die Tür zum hinteren Bereich aufschloss. »Ich kann Sie leider nicht begleiten«, erklärte sie, »meine Kollegin ist noch nicht da, und jemand muss vorn im Laden sein. Gehen Sie hier den Gang runter, am Ende auf der rechten Seite ist die Kammer mit der Dusche.«
    »Vergelt’s Gott«, bedankte Renate sich artig. Sie hatte einen der löchrigen Waschlappen unter den Arm geklemmt. Auch Nele und ich bekamen Tücher zugeteilt. Im Gänsemarsch zogen wir den engen Gang entlang.
    »Immer weiter geradeaus«, rief die Dame von hinten. Wir quetschten uns zwischen dicken Säcken durch, die allesamt mit »Altkleidersammlung« beschriftet waren, und erreichten eine klapprige Tür. Dahinter lag die Personaltoilette, und dort gab es tatsächlich eine Dusche.
    Als befürchtete sie, ich könnte flüchten, zog Renate mich in die Kammer und machte die Tür hinter uns zu. »Du warst es doch«, betonte sie gereizt, »die gesagt hat, dass wir stinken. Jetzt wird auch geduscht!«
    Ich kam mir wie das Entführungsopfer in einem Retro-Krimi vor. Meine Geiselnehmer verlangten nicht nur, dass ich mich wie sie kleidete, sondern auch, dass ich ihre befremdlichen Rituale mitmachte. »Glaub ja nicht«, Renate drehte an einem verkalkten Etwas, aus dem es rostrot tröpfelte, »dass wir später an jeder Brause halten.«
    »Ist das eine Drohung?«, fragte ich und machte mich fünf Zentimeter größer.
    »Ach, jetzt streitet doch nicht.« Nele hatte sich schon ausgezogen und stand unter der trüben Flüssigkeit, die aus dem Duschkopf herunterregnete. »Kommt lieber!« Sie drückte sich an den Rand der Duschwanne, damit wir Platz hatten. »Nun macht schon. Wann haben wir das letzte Mal zu dritt geduscht?«
    In der Tat, das war schon lange her. Es musste um unseren dreißigsten Geburtstag herum gewesen sein. Die Kinder hatten sich die Nasen an der Duschwand platt gedrückt, weil es lustig war, den Mamas beim Rumalbern zuzusehen. Eine Riesensauerei hatten wir veranstaltet. Eine Sauerei, bei der ich heute glatt die Krise kriegen würde. Damals saßen wir mit den Kindern auf den Fliesen, lachten, bespritzten uns mit Wasser und verwüsteten Renates Badezimmer immer mehr. Wir waren uns so nah damals. Wie in der letzten Nacht.
    »Na gut.« In einem Anfall von Sentimentalität stieg ich zu den beiden in die kleine Wanne. Das Wasser reichte kaum für eine, aber wir fanden sogar ein angetrocknetes Stück Seife, das in einer kleinen Ablage lag. Wir wuschen die Haare, meinen neuen BH , wir quiekten vergnügt, lachten laut, und es war so schön, wie ich nie erwartet hätte, schon gar nicht in einem Rotkreuzladen. In diesem Augenblick fühlte ich mich großartig, weil wir so unerwartet in diesem Hinterzimmer eine Waschgelegenheit gefunden hatten. Und ich hatte noch etwas anderes gefunden, das ich gleich genauer in Augenschein nehmen würde. Ich musste es nur geschickt anstellen, um einen Moment allein zu sein.
    »Die denkt sicher, wir sind auf der Flucht«, kreischte ich, eine Spur zu laut. »Nele, frag sie doch bitte noch nach einem Stückchen Brot. Sicher gibt uns die gute Frau etwas ab.« Übermütig pustete ich in den Seifenschaum, dass die Flocken über unsere Köpfe flogen.
    »Klar, mach ich.« Nele kicherte. »Ich mach hier noch was für uns locker. Lasst euch überraschen.«
    Nele verließ die Dusche und versuchte, im Dunst ihr dünnes Handtuch und ihre Birkenstock zu finden. »Echter Kuschelfaktor«, sagte sie grinsend, als sie sich mit dem Tuch über ihre Arme strich. Als auch Renate trocken war, verließ ich ebenfalls die Wanne. Ich trocknete mich vorsichtig und nur stellenweise mit meinem Waschlappen ab.
    »Die

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