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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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Reise ist doch eine tolle Erfahrung. Wann mussten wir uns zuletzt so einschränken? Und mit wie wenig man auskommt.« Nele konnte immer das Positive sehen.
    »Na ja, wir machen es ja freiwillig.« Begeistert klang ich nicht.
    »Eigentlich haben wir doch so und so von allem zu viel«, meinte Renate und kämmte sich das nasse Haar. Sie schlüpfte in ihr T-Shirt.
    Heute trugen wir alle den Wallelook. Renate war in Orangerot gewandet, Nele trug etwas in ihrer Lieblingsfarbe Mocca und vervollständigte ihren Look mit einer Kette aus Knöpfen von alter Bettwäsche. Für mich lag ein türkisfarbener Hippierock bereit, in den jemand rosagelbe Kreise gefärbt hatte.
    Mit dem Anziehen ließ ich mir Zeit, ausgiebig hielt ich den neuen, frisch gewaschenen BH unter den Händetrockner an der Wand.
    »Geht ruhig schon mal raus«, sagte ich zu den beiden. »Bis der trocken ist, das dauert sicher eine Weile.«
    Ich ließ den Wind erst in die rechte, dann in die linke Tüte pusten und versuchte, dabei möglichst konzentriert auszusehen. In Wirklichkeit war mir der BH natürlich wurscht, der trocknete in der Sommerhitze sowieso im Handumdrehen. Durch das Glas der Duschwand und der halbgeöffneten Badezimmertür war mir etwas ins Auge gestochen, das meine Aufmerksamkeit magnetisch auf sich zog.
    Doch erst als ich hörte, dass Nele und Renate endlich wieder bei der Ehrenamtlichen im Verkaufsraum waren, machte ich mich bereit. Jetzt galt es, schön die Ruhe zu bewahren, keine Fehler zu machen und bloß nicht zu husten. Behutsam öffnete ich die Tür des Bades und schlüpfte in den Gang.
    Nur durch ein verdrecktes Oberlicht fiel etwas Licht in den Flur. Ich tastete mich langsam vor. Tatsächlich! Da war wirklich eine Telefonbuchse der Telekom und es steckte ein Kabel drin. Meine Herzfrequenz erhöhte sich augenblicklich. Atemlos folgte ich der alten Schnur. Meine Sinne waren schärfer als sonst, deutlich hörte ich Renate im Verkaufsraum plappern. Plötzlich näherten sich Schritte. Flink wie ein Wiesel hüpfte ich zurück ins Bad.
    »Trudi«, Nele steckte den Kopf herein. »Es gibt echten, guten Bohnenkaffee. Und er ist ganz umsonst.« Ich konnte sie förmlich grinsen hören.
    »Kommst du, oder sind deine Zelte noch immer nicht trocken?«
    »Doch, doch, ich komme gleich«, trällerte ich, so harmlos es ging, zurück.
    »Die andere Verkäuferin ist jetzt übrigens auch da. Die ist echt nett. Und … wir haben noch jemand total Süßen kennengelernt.«
    »Mann oder Frau?«, fragte ich alarmiert. Mit meinen Supersinnen hörte ich Renate lachen. Sie hatte doch nicht schon wieder einen Typen aufgegabelt?
    »Mann.« Nele feixte. »Aber lass dir ruhig Zeit.«
    O Gott, nicht wieder ein Mann, dachte ich. Eine weitere Fahrt zu zweit auf der Rückbank würde ich nicht überstehen. Und wer weiß, wo es dann hinging. Vielleicht wollte ein Student aus Madrid nach Hause gebracht werden.
    Kaum war Nele wieder verschwunden, sprang ich zum Telefonkabel. Es führte mich in ein kleines, ebenfalls nur spärlich erhelltes Büro. Mein Herz schlug höher, als ich das Telefon erkannte. Trotz des schwachen und von Staub flirrenden Lichts wusste ich sofort: das war das Modell Dallas der späten 80er Jahre. Weil das in Institutionen oft üblich ist, wählte ich zuerst einmal eine Null. Es klackte in der Leitung, und dann kam ein Freizeichen. Wie von selbst begannen meine Finger zu wählen, aber nach der Vorwahl von Mannheim hielt ich inne. Wen sollte ich anrufen? Wolfgang? War er überhaupt daheim? Meine Mutter? Minka, meine Kollegin? Wie wohl ihr Date mit Volker gelaufen war, dem Muffkopp aus der IT-Abteilung? Ich entschied mich für die Nummer meines Liebsten. Hoffentlich, hoffentlich war er da. Nach zehnmal Klingeln sprang nur sein Anrufbeantworter an.
    »Trudi?« Plötzlich vernahm ich Renates Stimme, sie war ganz nah. Ich legte auf und hastete aus dem Büro.
    »Pscht!« Rasch hielt ich mir den Zeigefinger an die Lippen. »Ich war ein bissel spionieren.« Renate nickte und grinste verschwörerisch.
    Ich musste mit nach vorn, länger ließen sich meine Freundinnen von einem BH nicht hinhalten. Aber immerhin hatte ich es probiert. Mein heimliches kleines Abenteuer machte mich ganz beseelt und glücklich. Frisch geduscht betrat ich den schäbigen Verkaufsraum.
    »Da bin ich«, verkündete ich. Renate und Nele beachteten mich gar nicht, denn sie waren ganz auf eine junge Frau konzentriert, die bei ihnen und der älteren Verkäuferin stand. Sie wurde mir als Sonja

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