Drei Frauen im R4
Bretterhäuschen eilte. Sie hatte den gelben Friesennerz an, den die Mädels in einem Restmüllsack gefunden hatten.
»Fips«, sagte ich und kraulte den Hund. »Schau mal, das hier ist dein neues Zuhause.«
Fips saß auf meinem Schoß und sah mich aus seinen braunen Augen an. Ich musste mich zusammenreißen. Dies war ein wundervoller Platz für einen Hund. Gritli würde ihn bestimmt liebhaben, und nirgendwo auf der Welt hätte er es so gut wie hier, redete ich mir in innerer Dauerbeschallung ein. Aber Gritli kam nicht, und auch Renate tauchte nicht wieder auf.
»Das dauert aber lange«, sprach Nele meine Gedanken aus. Wir warteten schon eine halbe Stunde.
»Sicherlich essen sie schon Käsefondue«, stichelte ich und öffnete die Beifahrertür, damit Fips ein bisschen Auslauf hatte.
Sonja hatte uns erzählt, wie es Gritli vor Jahren auf diesen Campingplatz verschlagen hatte. Eine detailreiche Geschichte mit einer abenteuerlustigen Gritli, die überall auf der Welt zu Hause sein konnte, aber zurück in die Schweiz wollte. Und ausgerechnet im australischen Outback einen Mann aus Luzern getroffen hatte, der dann diesen Campingplatz erbte. Seit einiger Zeit gehörte er ihr, und nur ein Hund fehlte noch zu ihrem Glück.
»Gritli wollte ein faires Tier, da kam nur ein Flüchtlingshund in Frage«, hatte Sonja uns erzählt.
»Wenn Fips aus Spanien kommt, wieso heißt er dann eigentlich nicht Don Juan?«, fragte ich Nele ironisch. Sie reagierte etwas verwirrt. »Und er spricht auch gar kein Spanisch.«
Mit einem Mal kamen mir Zweifel an Sonjas Geschichte. Gebannt starrten wir auf den Eingang, als käme dort gleich die Erklärung herausgesprungen, aber es brauchte weitere zehn Minuten, bis sich die Tür öffnete und Renate wieder ins Freie trat. Sie setzte die Kapuze auf und kam zögerlich auf uns zu. Fips hüpfte freudig kläffend an ihr hoch, und beide trieften nur so vor Nässe, als sie wieder zu uns ins Auto stiegen. Ich suchte nach einem der Handtücher, die uns Sonja mitgegeben hatte, um wenigstens Fips abzutrocknen. Wenn Hunde nass sind, stinken sie erbärmlich, und wenn Menschen sich nicht regelmäßig waschen, dann löst Regen auch keine Parfumgerüche aus. Ich roch ein wenig an Renate.
»Was ist?«, fragte Nele und lehnte sich nach vorn. »War Gritli da, und hat sie sich gefreut?«
Wenn Gritli da gewesen wäre, dann säße Fips schon in der Holzhütte vor seinem Napf und wir säßen rund ums dampfende Käsefondue. Renate sah aber nicht so aus, als wäre irgendetwas in dieser Art zu erwarten.
»Die Sache ist die«, sagte sie. »Hier gibt es keine Gritli. Es gab noch nie eine. Der Mann, der den Campingplatz betreut, heißt Urs, und er wüsste auch nicht, dass es in der Nähe noch einen Campingplatz wie diesen gäbe, und überhaupt, eine Gritli kenne er nicht, und wenn es sie gäbe, dann müsste er sie kennen, weil alle Campingplatzbesitzer einen Stammtisch haben.«
Fips stupste mit der Schnauze an mein Ohr. Ich reagierte nicht. Eine Art Schockstarre legte meine Gedanken lahm. Also kein Käsefondue, dachte ich.
»Mist«, sagte Nele leise.
»So ist es«, stimmte Renate stockend zu und erklärte uns, dass es dennoch gut war, hier zu sein, weil Luzern ein überaus hübsches Städtchen sei, am wunderbaren Vierwaldstättersee, dessen blaugrüne Wogen bereits von unseren Altvorderen besungen worden waren, und wie um dies zu bestätigen, hielt sie ein blaues Reisehandbuch in die Luft, das den Titel Sommer in der Schweiz trug und das mich ahnen ließ, dass es heute wirklich nicht mehr weiter nach Italien ging.
»Wir könnten hier schöne Wanderungen machen, und viele Kühe gibt es auch.«
Richtig, und genau drei saßen hier in diesem Wagen. Ich nahm Renate ihre plappernde Munterkeit nicht ab und ahnte, was sie dachte. Wie sie sprach, wie sie den Kopf bewegte und wie sie die Sätze hinten so hochzog, damit niemand ihr in die Rede fallen konnte. Auch Renate wollte weg aus diesem Schlammloch, aber sie hatte den Gritli-Schwur geleistet, der da hieß, dass wir nicht eher das Land der hohen Berge verlassen würden, bis Fips im richtigen Körbchen bei der richtigen Frau gelandet war.
»Dann sitzen wir wohl fest«, sagte ich tonlos. »Einmal mit Fips über die Grenze hat geklappt, aber noch einmal raus aus der Schweiz, rein nach Italien, raus aus Italien und über die Schweiz dann womöglich bis nach Hause … Wie stellt ihr euch das vor?« Das klang mehr nach einem Vorwurf als nach einer Frage.
Innerlich verfluchte
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