Drei Frauen im R4
warum wir tagelang unterwegs gewesen waren, ohne Italien zu erreichen. Das Dreiländereck am Bodensee war nicht nur kurvenreich, sondern rhetorisch für uns ein Geschenk. Als mein Blick auf den Ort Romanshorn fiel, musste ich grinsen.
»Wir werden Anna und Sarah erzählen, dass wir nicht über die Schweiz hinausgekommen sind, weil wir Julia Onken, die bekannteste Frauenrechtlerin der Schweiz, aufsuchen wollten.«
»Hatte die nicht Weise Wunde Menstruation geschrieben?«, versuchte Nele Julia Onken einzuordnen.
»Nein, sie schrieb Die Feuerzeichenfrau , das war das erste Buch über die Wechseljahre«, berichtigte ich sie und erinnerte sie daran, dass sie das Buch mit Mitte zwanzig verschlungen hatte. »Du wolltest, so hast du uns die Lektüre damals erklärt, für spätere Zeiten gut vorbereitet sein. Und«, machte ich eine Kunstpause, »was weißt du denn noch davon?«
»???«
Dass Julia Onken sich in einem solch maskulinen Ort niedergelassen hatte, konnte nur Programm sein, dessen waren wir uns ganz sicher. Gleich begann Nele Damenwitze zu rezitieren, die sie in alten Emma -Ausgaben gefunden hatte.
»Was ist ein Mann in Salzsäure?«
Ich zuckte erwartungsgemäß mit den Achseln.
»Ein gelöstes Problem …«
Keine von uns lachte, weil auch das zu einer echten Genderfrau gehört.
»Wie wäre es mit Georges Moustaki?«, schlug Renate vor, als wir uns wieder auf den Weg machten. Natürlich durfte sie nur Angebote machen, denn die Musik bestimmte ich. Gnädig gewährte ich ihr den Wunsch. Georges Moustaki war damals so ziemlich das Lässigste gewesen, was man sich vorstellen konnte. Seine Musik strömte das aus, was später in Buchform ein Bestseller wurde, Salz auf unserer Haut . Ich wäre sofort mit ihm ins Bett gegangen, doch eine Jugend in Landau lässt einen nicht gerade zum Groupie werden. Und jetzt war es ohnehin zu spät.
Nele zählte die wenigen Fränkli, die wir hatten, nun schon zum dritten Mal. »Es will einfach nicht mehr werden«, stöhnte sie, »ganz egal, wie oft ich zähle.« Wieder klimperte sie mit den Münzen.
»Dann tauschen wir halt was um«, versuchte ich das Problem ganz praktisch anzugehen. »Sparen ist ein typisches Frauenproblem. Frau muss aber eher darüber nachdenken, wie sie mehr Geld verdienen kann. Das ist nämlich der Witz dabei.« Selten gehen bei mir feministische Jugend und stressiger Job als Personalreferentin so harmonisch Hand in Hand.
»Das ist nicht witzig«, sagte Nele gereizt und brachte Renate und mich auf den aktuellen Stand. Der Sprit hatte uns ein großes Loch in die Niveadose gerissen. Hinzu kam die Raucherei, deren Kosten sich seit 1981 verdreifacht hatten. Die fünfzig Mark, die wir früher für einen Tag berechnet hatten, reichten hinten und vorne nicht. Den Pumpernickel konnte ich schon nicht mehr sehen, aber er war noch lange nicht aufgegessen. Mühsam schluckte ich die Scheibe runter, die Nele mir reichte. Auch der Schmierkäse darauf half nun nicht mehr viel. Wenn Pumpernickel wirklich ausgetrocknet war, dann konnte man sich ebenso gut ein Korkbrettchen belegen. Aber essen gehen war nicht drin, und die Schweiz ist ja sowieso nicht gerade das günstigste Reiseland. Vermutlich würden unsere Vorräte so oder so bis nach Russland reichen.
»Am besten kaufen wir hier gar nicht ein«, beschloss Nele. Ich machte mich auf weitere Büchsenkost gefasst. Renate suchte schon nach den Gläschen, die sie für den Joghurt vorgesehen hatte.
»Wenn ich mir den Joghurtpilz schon mal unter das T-Shirt lege, vielleicht geht er dann später schneller auf?«
In einem kleinen Plastikgefäß hatte sie das weißliche Pulver mit Wasser und anderem angerührt. Zwanghaft, dachte ich unfreundlich, meine Freundinnen sind wirklich zwanghaft geworden.
»Wie wär’s«, ich zeigte auf einen Bauerngarten mit Paprika, Lauch und Tomaten. »Wir könnten schnell ein paar Tomaten klauen, um zu einer günstigen Unterkunft zu kommen. Die Schweizer Gefängnisse sollen sehr gut sein. Und sie sind preiswerter als jeder Schweizer Campingplatz.«
»Wie meinst du das?«, fragte Nele.
»Hör nicht hin!«, empfahl ihr Renate trocken.
Offenbar wollten beide nicht darüber nachdenken, dass wir mit dem »kleinen Alpenparadies«, in das wir Fips zu bringen hatten, ganz sicher einen Campingplatz ansteuerten, der weit über unseren Verhältnissen lag.
Na, ich war gespannt, besonders schöne Aussichten ließen sich die Schweizer besonders schön bezahlen. Sonja hatte uns am Morgen geraten, Berge und
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