Drei Frauen im R4
Höhen lieber von unten zu bestaunen. »In Italien scheint die Sonne. Und billiger lebt es sich dort sicher auch«, erinnerte ich die beiden. »Besonders in dieser Kooperative. Wo war die eigentlich ganz genau?«
»Mitten in den Bergen vor Forli, und nur kleine Wege führten dahin.« Renates Blick wurde glasig und romantisch. »Ein altes Haus war das, das in den Wiesen lag. Außen herum Hügel, Berge und ein kleiner See.«
Falls es noch ein paar Althippies der früheren Kooperative gab, dann konnten wir sicherlich umsonst dort schlafen.
»Und du kletterst zu Maurizio ins Bett!«
Renate rollte mit den Augen. Wir summten ein wenig zu Georges Moustaki mit, und wir sangen so lange, bis wir nur noch »Mmmmm mmmmmm mmmm« zustande brachten, aber nicht weil uns der Text fehlte, sondern weil unsere Mahlzeit aus lecker Knäckebrot ganz schrecklich in den Mündern staubte.
»Ich hatte Luzern anders in Erinnerung«, befand Nele kauend und sah sich enttäuscht um. Angestrengt versuchte sie, die Merkmale der Stadt zu finden, die uns Sonja als Wegweiser gegeben hatte. In den letzten Minuten hatten wir nichts als viel Verkehr und eine lange angegraute Häuserfront gesehen.
»Irgendwo muss hier der Bahnhof sein«, suchte sie einen Halt, um sich besser zu orientieren.
Mit dem Eintreffen in Luzern hatte sich das Wetter deutlich verschlechtert, was vielleicht am Vierwaldstättersee lag, den wir in kurzer Entfernung vor uns sahen. Seen ziehen das Wasser ja angeblich an. Wenigstens waren wir richtig, denn den See hatte Sonja als ganz markanten Punkt beschrieben, aber an Urlaub erinnerte er nicht. Möwen flogen weiß durch das Grau, das in schweren Wolken über dem Wasser und zwischen den Bergen hing. Die Ausflugsdampfer schaukelten leer am Steg und ließen sich müde von den Wellen wiegen. Bunte Regenschirme dort, wo sonst schattenspendende Sonnenschirme standen. Die Bänke am Ufer glänzten vor Nässe, und niemand setzte sich auf sie.
»Wir sehen zu, dass wir bald weiterkommen«, versuchte ich den Abschiedsschmerz zu überspielen und warf einen verstohlenen Blick auf Fips, der zusammengerollt zu Renates Füßen lag. Nicht, dass ich einen Hund gewollt hätte, aber irgendwie hatte ich Fips sehr schnell ins Herz geschlossen. Es würde mir nicht leichtfallen, ihn bei Gritli zurückzulassen.
Nachdem wir eine Ewigkeit in der grauen, verregneten Stadt herumgekurvt waren, fanden wir endlich den Campingplatz. Das kleine Alpenparadies lag hinter einem Bretterzaunverschlag und sah nicht besonders paradiesisch aus.
»Vielleicht liegt das an den beschlagenen Scheiben«, überlegte Renate laut und begann die Windschutzscheibe von innen mit einem kleinen Tuch restlos zu verschmieren.
»Das Tuch ist doch auch von ’81«, schimpfte ich und verlangte nach einer sauberen Serviette. Die gab es aber nicht, weil wir damals keine Servietten, sondern auch bei der Esskultur nur Klopapier genommen hatten. Nele reichte es mir. Es war billig und dünn und blieb in kleinen Fetzen an der Windschutzscheibe kleben.
»Super«, grummelte ich.
Auch im Kleinen Alpenparadies baumelten die bunten Fähnchen trübe und nass im Wind. Auf den ersten Blick konnten wir einige Campingwagen und Reisemobile erkennen, die nach Dauercampern aussahen. Die Stellplätze waren umzäunt, und an der einen oder anderen Tür war sogar eine Klingel zu erkennen. Viele hatten die Rollläden heruntergelassen. Offenbar war das Wetter in Luzern schon seit ein paar Tagen nicht besonders freundlich. Ein Mann stakste durch den Matsch zur Rezeption.
»Sicher lädt uns Gritli zu einem tollen Abendessen ein, weil wir ihr den Fips geschmuggelt haben. Danach fahren wir dann umgehend weiter. Auf diese Weise«, ich sah zu Nele, »sparen wir etwas Brot.«
»Vielleicht können wir bei ihr sogar unsere Schlafsäcke ausrollen. Wenn sie so ist wie Sonja, dürfte das kein Problem sein.« Nele versuchte wieder, das Positive zu sehen.
Fuchur hoppelte über den Schotterweg. Einsam und verlassen lag das Bretterhäuschen der Platzverwaltung da. Weiter hinten standen Familienzelte von ein paar Irren, die sich beim Camping beweisen mussten. Ich musste mir nichts beweisen. Ich würde nicht im Regen zelten! Wenn nötig, konnte ich mit meinen Freundinnen in ein Gasthaus übersiedeln, und sei es auch nur für eine Nacht. Dann war die Niveadose eben leer. Na und? Hauptsache, der Urlaub machte Spaß. Ich parkte vor der Verwaltung, und Nele und ich sahen durch die regennassen Scheiben, wie Renate in das
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