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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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gemahlenen Cappuccino aufzubrühen.
    »Und was ist, wenn Gritli gar nicht Greta ist?«, wagte ich zu fragen.
    »Das wird sie schon sein«, bügelte Renate meine zaghafte Frage ab. »Ich meine mich zu erinnern, dass Sonja den Namen Greta erwähnte.«
    »Da bin ich mir aber nicht so sicher«, gab ich zurück.
    »Pscht!«, unterbrach Nele uns und drehte das Fenster weiter runter. »Hört mal, Musik!«
    Tatsächlich hörten wir durch den Regen leise Akkordeontöne, zu denen ein paar brüchige Seniorinnenstimmen Rosamunde sangen.
    Mit einem »Rührend« wurde Nele melancholisch und schnäuzte sich die Nase.
    Wilder denn je trommelte der Regen aufs Dach. Ich hatte den Motor ausgemacht, und die Scheibenwischer lagen in tiefem Schlaf. In Bächen strömte das Wasser an den Fenstern herunter, so dass wir kaum noch etwas erkennen konnten.
    »Dass eins klar ist«, erklärte ich mit majestätisch fester Stimme. »Ich werde heute auf gar keinen Fall ein Zelt aufbauen. Wenn wir hierbleiben, dann schlafe ich im Auto. Keinen Fuß setze ich da raus.«
    »Und wenn du auf die Toilette musst?«, fragte Nele. »Willst du dann vielleicht ins Auto pinkeln?«
    »Wenn ich heute Nacht pinkeln muss, dann setze ich mich neben den Wagen«, brüstete ich mich laut. »Mir ist inzwischen alles egal. Ich werde auf keinen Fall durch den Regen zu diesem Waschhäuschen gehen, das so weit weg ist, dass ich es nicht einmal erahne. Ich werde direkt neben das Auto pinkeln. Und wenn wir deswegen vom Platz fliegen, dann ist mir das nur recht. Und wenn es weiter so regnet, bleibe ich im Auto, und sollten daraus Tage, Wochen oder Lebensjahre werden.«
    »Du kannst doch nicht davon ausgehen, dass wir die nächsten Tage hier in diesem R4 hausen. Ich weiß schon nicht, wie ich diese eine Nacht überstehen soll.«
    Das war neu. Normalerweise warf sich doch Renate in jeden Karton, den man ihr bot. Auf einmal war der Wagen ihr zu klein. Klar, schlafen ging nur mit angezogenen Beinen, oder man blieb eben, wie als Jugendliche, die ganze Nacht wach. ’81 wäre das der Fall gewesen, und wir hätten uns prächtig dabei amüsiert.
    »Du hast es gut«, giftete sie auch schon zu Nele auf die hintere Bank. »Du kannst es dir gemütlich machen, neben deinem Hundefuttersack.«
    Renate und ich verknoteten unsere Beine miteinander, bis wir eine einigermaßen erträgliche Position eingenommen hatten. Fips saß mal auf dem einen, mal auf dem anderen Schoß, und wenn es uns zu viel wurde, dann ließen wir ihn kurz nach draußen. Wir erzählten uns schlimme Damenwitze, hörten Ina Deter und Wolf Maahn, und später, als wir ein bisschen Alkohol getrunken hatten, war es sogar fast gemütlich. Noch später wusste ich nicht mehr, dass ich Beine hatte. Dafür lachten wir, aßen von den Vorräten, und wir mussten die Fenster öffnen, damit der stickige Qualm rauskonnte.
    Das Zimmer in Weißenburg erschien mir jetzt in der Rückschau luxuriös. Alles hätte ich für ein staubiges Bett gegeben! Mein Rücken schmerzte, und ich sehnte mich nach einer durchgelegenen Matratze. Aber es keimte auch ein Gefühl von Abenteuer in mir auf, wenn ich zurückblickte auf all das, was wir in den wenigen Tagen schon erlebt hatten. Wer weiß, ob wir die geheimnisvolle Gritli jemals finden werden, dachte ich.

    Wir saßen zwar in einem Kleinwagen im Regen auf einem matschigen Campingplatz fest. Doch wenn ich so darüber nachdachte, mit wem ich am liebsten im R4 eine Regennacht verbrachte, dann waren das eindeutig Nele und Renate.
    »Ich les euch was vor«, erklärte Nele und begann, mit sehr ruhiger Stimme etwas zu zitieren.
    Die Worte, ich erkannte sie sogleich, stammten aus meiner eigenen Feder. Genauer, sie las aus einem meiner Tagebücher vor, die mit im Rucksack gelandet waren. Dass sie das tat, war mir nicht unangenehm, denn wir drei wissen so und so fast alles voneinander. Dass es aber meine Hoffnungen, mein Sehnen war und die bis heute unerfüllten Träume, war mir wie ein Stoß ins Herz. Die Worte waren von 1981 und erzählten, wo ich einst gestartet war. Künstlerin hatte ich werden wollen, eine Projektmanagerin für fremde Erfolge war aus mir geworden. Ich wischte mit der Hand das beschlagene Seitenfenster frei und stellte fest, dass es nicht nur die Scheibe war, die meine Sicht beschlagen machte, sondern die Tränen, die in meinen Augen standen. Mit einem »Weinst du?« rutschte Renate von ihrem Sitz zu mir. Hilflos reagierte ich mit einem Achselzucken.
    »Wir sprechen darüber«, sagte sie und

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