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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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Lebensration Futter für den Hund, alles völlig Panne und übertrieben. Ängstlich knabberte ich auf meiner Lippe. Die Zeiger der Autouhr tickten bedrohlich laut in meinem Ohr.
    »Was ist nun damit?« Der Zollbeamte erinnerte mich dabei an die heilige Inquisition, und ich straffte schon mal meinen Rücken.
    »Na ja«, Nele stieß mir mit dem Knie ins Kreuz, oder war das doch Fips, der bereits aus dem Sack gesprungen war? Ich drehte mich um und wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte. Doch Nele zog sich bereits selber aus dem Sumpf. Geistesgegenwärtig, wie ich sie nur aus dem Kindergarten kannte, schmiss sie sich an den Trockenfuttersack und umarmte ihn so heftig, wie ich sie hatte nie ihren Mann umarmen sehen.
    »Ach das, das ist doch nur ein Spaß«, sie zuckte mit den Achseln und lachte künstlich. »Den habe ich zum Geburtstag geschenkt bekommen.« Wieder ein Lachen, diesmal hörbar schrill. »Von … von … von … meinem Hund.« Neurotische Schnappatmung setzte bei ihr ein. »Der ist aber nicht hier, der ist daheim, der muss im Auto immer kotzen.«
    Das war’s, dachte ich. Jetzt heißt es: »Aussteigen, umdrehen, Hände auf das Wagendach!«
    Aber das Glück hatte uns offenbar einen echten Hundenarren beschert. »Ach, wie schade. Allein zu Hause, der arme Kerl. Was ist es denn für eine Rasse?«
    »Ein … ein … so einer, der in einer Handtasche wohnt.«
    Falsche Antwort. So etwas würde keine Hundebesitzerin der Welt über ihren kleinen Liebling sagen.
    »Mhm.« Wir bekamen unsere Papiere in den Wagen gereicht. Sich das Kinn kraulend, richtete sich der Zöllner auf. »Philipp? Philipp, bist du da fertig?«, rief sein Kollege plötzlich.
    Philipp sah zu ihm hinüber. »Was ist?«, fragte er so langsam, wie nur ein Schweizer fragen kann.
    »Philipp, komm mal her, ich brauch dich hier.«
    Ich konnte fühlen, wie es in Philipp zog. Waren wir tatsächlich nur verrückt, oder gingen ihm mit uns womöglich echte, grausame Verbrecherinnen durch die Lappen?
    Noch einmal, wie zum Abschied, wanderten seine Augen zum Hundefutter hin. Nele öffnete die Tüte. »Mögen Sie was davon? Ist echt knusprig und völlig ohne Fleisch.« Jetzt fiel die Kugel in ihr Loch.
    »Weiter!«, forderte er uns lässig auf, und seine Hand wedelte sehr schnell. »Fahren Sie weiter!«
    Ich atmete ungläubig durch und drückte, so tief ich konnte, auf das Gas. »Fahren Sie weiter!« Hatte er befohlen, aber eigentlich »Machen Sie, dass Sie wegkommen!« aus tiefster Brust gemeint. Es war egal.
    Ungläubig ob unseres Glücks, trat ich aufs Gas. Ich fuhr, so schnell ich durfte, und warf nicht einen Blick in den Rückspiegel. Keine von uns sagte ein Wort. Irgendwann öffnete Nele einen Flachmann und reichte ihn herum, obwohl das, besonders in der Schweiz, absolut verboten ist.
    Der alte Zauber, der uns verband, war plötzlich spürbar. Wir waren Komplizinnen, wir waren eine Gang, wir waren drei tollkühne Bräute in einer roten Kiste.
    »Wir waren gut«, sagte ich voller Überzeugung. Wir waren immer gut, wenn wir zu dritt waren.

Kapitel 7
    Wieder eine Nacht
    - Hannes Wader -
    Als wir weit genug von der Grenze weg waren, entschied ich, dass wir eine Pause brauchten. Meine Vorstellung eines romantischen Picknicks inmitten von Edelweiß, Enzian und lila Kühen ließ sich aber nicht umsetzen. Die Schweiz war grau. Nur die vielen rot-weißen Flaggen waren kleine Farbtupfer in der trüben Landschaft. Nach anfänglichem Nieseln hatte es zu regnen begonnen, und ein kräftiger Wind trieb die Tropfen über Feld und Flur.
    »Ich seh vor lauter Regen keine Berge«, beschwerte sich Nele. »Das ist nicht gerecht, das haben wir nicht verdient.«
    Eine ganze Weile suchten wir einen geeigneten Pausenplatz unter Bäumen. Überall gab es Grillstationen, jedoch alle ohne Unterstand. Also ließen wir Fips ins Freie springen, machten ein paar Schritte, um uns die Beine zu vertreten, und setzten uns dann wieder ins trockene Auto.
    Während Renate ein Auge auf Fips hatte, der draußen herumsprang, schmierte Nele auf der Rückbank Brote, und ich studierte den Reiseatlas, als gelte es, die Schweiz auswendig zu lernen. Unglaublich, wir waren schon fast eine halbe Woche unterwegs, und Italien war noch immer weit entfernt. Immerhin hatten wir schon Frankreich, Deutschland, Österreich und die Schweiz durchfahren und Liechtenstein mit einem Blick gestreift. Das hörte sich nach einer großen Reise an und würde uns eine Erklärung bieten, wenn die Kinder später fragten,

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