Drei Frauen im R4
ich den Regen, das Zelt und meine ungeeigneten Schuhe. Die paar Klamotten, die wir dabeihatten, würden in ein paar Tagen von Matsch getränkt sein.
»An allem ist nur Gritli schuld«, jammerte Nele trotzig. Sie vergaß dabei, dass es ja nicht Gritli gewesen war, die uns Fips aufgenötigt hatte. »Wie kann sie uns nur so sitzenlassen, wo wir ihr den Hund geschmuggelt haben.«
»Jetzt bauen wir erst mal das Zelt auf, und dann sehen wir weiter. Da vorne ist unser Platz.« In alter Lehrerinnenenergie zeigte Renate mit dem Kinn nach vorne. Sie hielt die Campingplatzkarte in der Hand und hatte sich bereits einen Überblick verschafft.
Mir fiel etwas ein. »Hast du denn gar nicht bei Sonja angerufen? Dieser Rotkreuzladen hatte doch bis eben auf. Kurt hat doch sicher ein Telefon in der Anmeldung.«
»Ging doch nicht«, antwortete Renate gequält.
»Wie, ging nicht?«, hakte ich nach.
»Na wegen ’81.«
Ich konnte es nicht fassen. »Ja aber der Rotkreuzladen hatte doch ein ganz normales Festnetztelefon! Erinnerst du dich denn nicht daran?«
»Doch, schon«, gab Renate zu, »aber wie hätte ich denn an die Telefonnummer kommen sollen?«
Ich öffnete den Mund, aber Renate konterte bereits dagegen: »Komm mir jetzt nicht mit dem Internet. Wir haben Regeln.«
Also hielt ich den Mund. Ich war mit zwei durchgeknallten Frauen unterwegs, und wir hatten einen Hund am Hals, dessen nasses Fell zum Himmel stank. Was gab es da noch zu sagen?
»Der Hund kostet übrigens extra«, sagte Renate vorsichtig zu Nele. Ich konnte im Rückspiegel beobachten, wie Neles Gesicht ein paar Nuancen blasser wurde. »Aber wild campen ist bei diesem Wetter einfach nicht drin«, setzte Renate nach. Als ob es nicht völlig egal war, ob das Zelt hier oder auf einer Wiese im Matsch stand. Resigniert schloss ich die Augen und lehnte mich zurück. Fips war auf meinen Schoß geklettert und leckte mir den Hals. Das kitzelte zwar ein wenig, richtig heiter machte es mich aber nicht. Ich bekam allmählich kalte Füße in den klammen Schuhen, aber irgendwie … auch schon egal. Auch, dass ich mich dreckig fühlte und mich nicht waschen konnte. Müde ließ ich den Wagen an und lenkte ihn nach Renates Anweisungen auf einen kleinen Stellplatz, der eine Bergwanderung lang von den Sanitäranlagen entfernt war.
»Ich habe den günstigsten genommen«, sagte Renate zu Nele, die ihre Sprache immer noch nicht wiedergefunden hatte. In diesem Teil des Campingplatzes war kaum was los. Wer campte und dafür ein bisschen Kleingeld lockermachte, suchte selbst in solchen Anlagen den Komfort. Die beiden Zelte neben unserem waren viel robuster und wetterfester als unser kleines Spaßzelt. Sie hatten Vorzelte, und eines war sogar auf ein Auto gebaut, was die Besitzer vor Flutwellen und Überschwemmungen bewahrte. Unser Zelt dagegen war leicht, dünn wie aus Papier und exakt so groß, dass drei Menschen darin Platz fanden. Für das herbstliche Wetter, wie es hier herrschte, war die lausige Unterkunft keinesfalls konzipiert. Ich sah uns schon bei den anderen Campern um Obdach bitten.
»Da kommt wer«, sagte Nele plötzlich. Tatsächlich kam der Platzwart mit schnellen Schritten auf unser Auto zugeeilt. Sein T-Shirt, die Shorts und der Regenschirm waren allesamt mit der Schweizer Flagge oder dem Luzerner Wappen verziert. Ungeduldig klopfte er ans Seitenfenster.
»Ich hab noch mal gefragt, es ließ mir keine Ruhe«, sagte er, sobald Renate das Fenster heruntergekurbelt hatte. »Gritli könnte Greta sein. Die macht drüben im Schwimmbad die Burger und ist überübermorgen wieder da. Sie ist in Zürich. Meine Frau hat mich auf die Idee gebracht.«
Während ich mich noch fragte, ob der Mann stotterte oder ob er wirklich Sonntag meinte, rief Renate schon: »Super, danke!« Sie strahlte erleichtert. »Sonntag also, oder? Und kann man die Dame anrufen?«
Jetzt musste der Platzwart auch noch mal nachrechnen. Er sah etwas angestrengt aus, wie er da im Regen unter seinem Schirm stand. Ihm drang bereits trübes Matschwasser in die Sandalen.
»Ja, Sonntag. Überübermorgen. Nein, anrufen geht nicht, wir haben keine Nummer. Grüezi und gut’ Nacht.«
»Gibt es eine öffentliche Wärmestube hier auf dem Campingplatz?«, rief ich ihm noch nach, aber meine Worte gingen im Rauschen des Regens unter. Der Platzwart eilte zurück in sein Büro, wo es trocken und bestimmt kuschelig warm war und wo wahrscheinlich ein echter Jura-Vollautomat diensteifrig parat stand, um ihm einen frisch
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