Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
Vom Netzwerk:
Nylonschichten. »Ich hätte gern ein Dach überm Kopf.«
    Wirklich flüssig ging uns der Zeltaufbau nicht von der Hand. Ständig verknoteten sich die Schnüre, und es brauchte eine Ewigkeit, bis die Stangen endlich standen und wir die Zeltplanen darübergeworfen hatten. Der Wind bauschte das Zelt auf, als wäre es ein wilder Herbstdrachen. Der Kork meiner Birkenstocksandalen war wie erwartet aufgequollen, und ihr Gewicht hatte sich mindestens verdreifacht. Naturmaterialien haben es in sich. Neles Zehenlatschen aus hellbraunem Kamelleder waren nicht schwerer geworden, hatten aber dafür dunkle Ränder. Ihre Füße sahen aus, als ob sie seit Wochen kein sauberes Wasser gesehen hätten. Renate war deswegen gleich barfuß geblieben. Der Matsch drückte sich zwischen ihren Zehen durch, und kein Schuh zog sie in die Tiefe. Dafür hatte sich ihre Hose, die aus den Resten eines Leinenbettlakens zusammengeflickt war, bis zu den Waden vollgesogen. »Mist!« Sie rutschte auf dem nassen Gras aus. Jede Minute, die wir an dem Zelt herumbastelten, war zu viel und zerrte an unseren Nerven. Das Überzelt schien plötzlich kleiner zu sein als das Unterzelt, und die Heringe hielten nicht, was die Aufbauanleitung versprach.
    »Halt mal!«, rief Renate. »Mach doch mal!«, keuchte Nele. »Scheißdreck!«, schimpfte ich. Irgendwann stand es, wenn auch so windschief, als sei es eine Zeichnung von Gertrude Degenhardt und wäre direkt dem legendären Diogenes-Liederbuch entsprungen.
    »Soll das so sein?«, fragte ich gegen den immer stärker aufkommenden Wind an. Ich schrie nach Fips, der über die Wiesen tobte und mir stolz einen fremden Schuh vor die Füße legte. Sein Schwanz wedelte dazu wie verrückt, und es war unverkennbar, er wollte dafür gelobt werden.
    »Mach uns keinen Ärger«, dirigierte ich ihn zurück. »Die Schweizer machen Fonduefleisch aus dir, wenn du dich nicht benimmst.«
    Ich stand im Regen und hielt eine Schnur stramm, wie man es mir gesagt hatte, aber ohne zu wissen, was ich tat. Nele zerrte gleichzeitig an dem Zeltstoff und nahm mir schließlich die Leine aus der Hand, die offenbar dafür vorgesehen war, das Zelt vorne und hinten zu stabilisieren. Renate war richtig gut. Sie sah sofort, wenn sich irgendwo etwas löste, und leistete Erste Hilfe. Irgendwann gab das Überzelt unter ihren Händen schließlich auf und beugte sich, wie ein folgsamer Schüler, ihrem Lehrerinnenwillen.
    Als das Zelt endlich stand, waren wir drei komplett durchnässt, obwohl es laut Neles Wetterbericht nur ein »kleiner Nieselregen« war.
    »Was glotzt ihr denn so blöd?«, blaffte ich zu der wackelnden Wohnwagengardine hinüber. Der Kopf zuckte zurück und verschwand in den Tiefen der holländischen Konservenbüchse. Ärgerlich und zugleich hilflos stand ich vor Fuchur und wusste nicht, was ich mit ins Zelt nehmen sollte und was nicht.
    Renate und Nele waren versierter im Campen, weil sie mit ihren Kindern immer mal wieder zelten gewesen waren. So schnell, wie Nele die Rucksäcke und Taschen in Richtung Zelt warf und Renate sie dort wieder auffing, konnte ich gar nicht schauen. Also hielt ich wenigstens Fips davon ab, mit seinen schmutzigen Pfoten den einigermaßen sauberen Innenraum des Zelts einzusauen. Klinisch rein war der allerdings auch nicht. Skeptisch besah ich mir die feuchten Fußabdrücke auf dem Boden und die vertrockneten Blätter in den Ecken.
    »Das macht nichts«, versicherte Nele mir. »Wirst mal sehen, wie saugemütlich es gleich ist.«
    In Windeseile hatte sie die Isomatten ausgerollt und unsere Schlafsäcke darauf ausgebreitet. Auf der rechten Seite fanden die Rucksäcke, Malstifte, Musikkassetten und die Bücherkiste ihren Platz. Auf der linken Seite richtete Renate sich ihre Küche ein. Diverse Töpfchen, Deckelchen, Gläschen, Fläschchen und Gewürztütchen markierten ihren Bereich. Am Kopfende lagen die Gitarre und sämtliche Liederbücher. Die Schachtel mit den Hundedrops war im Regen aufgeweicht, und die Drops waren über das ganze Zelt verstreut. Fips spürte sie auf und fraß sie, ehe Nele sie konfiszieren konnte. Am Ende waren nur drei Drops übrig, die Nele zu den wenigen Scheinen in die Niveadose legte.
    Noch ehe ich begriff, was geschah, krochen Renate und Nele in die Schlafsäcke und kuschelten sich in die Daunen.
    »Endlich ausstrecken! Komm rein und leg dich hin.«
    Den Platz in der Mitte hatten sie mir zugedacht. Ich wusste, falls ich versuchen würde zu fliehen, würden sie mich wie eine Parkkralle mit

Weitere Kostenlose Bücher