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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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ihren Beinen packen und festhalten. Und Fips bewachte schon jetzt den Zeltausgang.
    Unwillig zog ich die schmutzigen Schuhe aus und wusste nicht, wohin damit. So ein Dreifrauzelt ist alles andere als ein Palast mit begehbarem Schuhschrank. Dass ich eine eher großgewachsene Frau bin, die gewisse Bedürfnisse und Ansprüche an Lebensplatz hat, machte das Ganze nicht einfacher.
    »Und jetzt schlafen?«, fragte ich und quetschte mich brav in die Besucherritze zwischen meine Freundinnen. Die beiden befanden sich bereits im Ruhemodus. Der Regen tropfte leise auf das Zeltdach, und der Wind rüttelte am Nylon. Hoffentlich würde das Zelt diesem Wetter standhalten. Ich lauschte nach draußen, aber da war es auch still.
    Schliefen denn hier alle? Es ging mir ziemlich gegen den Strich, mich bei voller Gesundheit vormittags ins Bett oder in den Schlafsack zu legen. Urlaubsabenteuer sehen etwas anders aus. Das hier war ja wie eine Schlafkur. »Puuh«, stöhnte ich leise, um auf mich aufmerksam zu machen. Niemand reagierte, nicht mal Fips, der auch schon die Augen geschlossen hatte und leise schnarchte. Mir war langweilig, also beschloss ich, mich über die verordnete Bettruhe hinwegzusetzen. »Ich versteh das nicht«, sagte ich zu Renate. »Du erzählst uns immer, dass du zufrieden bist, aber hättest du nicht doch mal wieder Lust auf einen Mann?« Doch Renate zuckte nur im Halbschlaf mit den Achseln und drehte sich zur Seite. Nele blinzelte und schien mir etwas zugänglicher zu sein. »Und was ist mit dir?«, fragte ich sie. »Wieso hockst du eigentlich so auf unserem Geld?«
    »Na, rate mal … sicher, weil Sparen mein Hobby ist«, antwortete sie. Ihr Ton machte deutlich, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für das Thema war.
    Das war mühsam und nicht sehr befruchtend, wie wir früher diese Art von Verstocktheit nannten. Dieses mürrische Sichwegdrehen. Meine Augen wanderten die Zeltwände von innen ab und blieben an einer der Nähte hängen. Auf einer Skala von null bis hundert, fragte ich mich, wie gut gefällt dir dein Job? Wo auf dieser Naht würdest du dein Kreuzchen setzen? Ich landete etwa da, wo der Fettfleck war, den Renate 1981 mit zu viel Sonnenöl in die Zeltwand gedrückt hatte. Das sind etwa vierzig Prozent, kalkulierte ich. Nicht schlecht. Eigentlich. Oder? Ach, ich schloss die Augen, eigentlich ein Desaster. Und wenn du an Wolfgang denkst …, fragte ich mich weiter. Aber ich wollte den Fettfleck nicht mehr betrachten und wusste nur, dass er mir fehlte und dass ich mir ein Zeichen seiner Liebe wünschte.
    Waren die 80er meine beste Zeit gewesen? Ich war mir nicht sicher. Es war eine gute Zeit, ich hatte studiert und viel gelernt, aber das hatte mich von meinem Jugendtraum abgebracht.
    Vielleicht war es gut, dass der Traum jetzt wieder hochgespült worden war, auch wenn es meist störend ist, so mit sich selbst in Berührung zu kommen. Das hat ja immer Auswirkungen, über die man dann nachdenken muss. Träume an sich sind ja ganz hübsch, wenn man aber beginnt, sie umzusetzen, wird es gelegentlich sehr ungemütlich. Und deswegen lass ich das jetzt, entschied ich mich. So weit kommt es noch, sich von einem Fettfleck provozieren zu lassen, nur weil ich jetzt in diesem Zelt ein wenig über mein Leben nachdenke. Unruhig zappelte ich mit den Beinen.
    Es war entschieden gegen meine Natur, mich bei voller Gesundheit vormittags in einen klammen Schlafsack zu legen. Nele und Renate hatten die Augen fest geschlossen. Wie Maden lagen sie da. Zwei dicke Maden mit Hund, und ich dazwischen. Die werden hier den ganzen Tag verpennen, ärgerte ich mich, hatte aber auch keine Idee, was wir im Regen anderes machen sollten. Lustlos schnappte ich mir den Comic Mein feministischer Alltag von Franziska Becker. Ihre knuddeligen Frauen, die gelockten Haare und Stirnbänder waren mir damals näher gewesen als die hageren Männer und Frauen von Marie Marcks. Bis zu meinem letzten Umzug hatte ich ein Plakat von Franziska Becker mit mir herumgeschleppt, auf dem eine vor Freude springende Frau, bewaffnet mit Gummihandschuhen und Spülbürste, laut »Power!« rief. Power! Ja, das hatten wir alle gewollt, und eine richtig gute Frau war eine Powerfrau gewesen. Das Wort hatte aber wie so vieles andere mit der Zeit an Kraft und ursprünglichem Witz verloren, weil es immer häufiger in Sprüchesammlungen und gegen Frauen verwendet wurde, und am Schluss verkam es zum »Superweib«. Alles hat mit allem und mit mir zu tun, dachte ich. Grinsend

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