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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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ganz schön weit gekommen.«
    »Dennoch, lasst uns später weiterreden, wir steigen jetzt mal aus«, quengelte Nele. »Ich krieg hier noch ’nen Hüttenkoller. Lass mich aus dem Wagen!« Sie rüttelte an Renates Sitz. Träge öffnete Renate die Beifahrertür. Fips sprang als Erster aus dem Auto und lief auf die nächste Laterne zu, und wir sahen ihm zu, wie er aufgeregt schnupperte, um gleich im Anschluss das neue Revier fröhlich zu markieren.
    »Übrigens«, Nele zeigte grinsend auf ihn, »hatten wir damals auch wenig Scheu, was das anging. Könnt ihr euch erinnern, wie wir mal mit den anderen in den Schnee pinkelten?« Klar, als ein Kreis von sieben Frauen hockten wir uns in den Schnee, weil alle auf einmal mussten und die Diskussion doch gerade so spannend gewesen war.
    Diese Art von Vertrautheit war ein ganz besonderes Gütesiegel der ökologischen Lebensphilosophie gewesen. Vergnügt beobachtete ich, wie Fips jetzt auch noch eine Laterne mit sich bekannt machte. Er brachte die penible Campingplatzordnung ein bisschen durcheinander. »Ja, Fips«, stachelte ich ihn an, »du machst das richtig, das ist hier nämlich ein einziges Spießerparadies!«
    Die Wege des Campingplatzes waren bereits zu früher Stunde und trotz des Schmuddelwetters von herabgefallenen Blättern befreit, die Abfallkörbe geleert, die Fähnchen gehisst und die Buchsbäume, die die einzelnen Parzellen genau begrenzten, so akkurat gestutzt, dass man getrost mit einem Winkel nachmessen konnte. An Zelteingängen und als Girlanden zwischen den Bäumen waren rot-weiße Fähnchen gehisst. Es war genau markiert, wo der öffentliche Weg aufhörte und wo die Parzelle begann. Bloß nicht mit der Korksandale im Matsch des Nachbargrundstücks hängenbleiben!
    In diesem spaßfeindlichen Areal sollten wir nun also erst einmal bleiben, und das auch noch zu einem horrenden Preis. Eingepfercht in eine Parkbucht wie Sardinen in der Büchse und mit einem Himmel über uns, der mit seinen Grautönen so langweilig war wie alles, was darunterlag. Was für ein Wetter! Ich versuchte ein paar Schritte zu gehen, aber der modrige Boden gab schmatzende Geräusche von sich, so dass ich mich am Ast einer Weide festhielt, um nicht auf der Stelle zu versinken. Mein Blick fiel auf Fips, der in einem Morastloch festzustecken schien.
    Unseren handtuchbreiten und grün umzäunten Platz fanden auch Nele und Renate nicht besonders toll. Er hatte so gar nichts mit der Freiheit zu tun, von der wir oft sprachen. »Früher war das anders gewesen«, beschwerte sich Renate und wusste ganz genau, dass das nicht stimmte. Die Schweiz war schon immer sehr genau gewesen. Auch ’81. Wir hatten damals die Kleinkariertheit aber eher als exotisch empfunden, und irgendwie war es natürlich auch toll, dass man sich in der Schweiz getrost auf eine Wiese setzen konnte. Aber hier auf dem Campingplatz schienen sich die Schweizer Tugenden zu multiplizieren. Man war offenbar schnell davon infiziert, wenn man hier länger campte.
    Genervt winkte ich der Holländerin im Wohnwagen nebenan, die neugierig herauslinste, als wären wir irgendwo auf der Schwäbischen Alb und hätten mal wieder die Kehrwoche ignoriert.
    »Lass sie doch gaffen«, sagte Nele besänftigend zu mir. »Die muss sich bei dem Regen ja auch mit irgendwas beschäftigen.«
    »Jetzt steht nicht dumm rum, macht mal«, rief Renate. Sie reichte mir meinen Friesennerz und wies mich an, Zeltstangen und Werkzeug aus dem Kofferraum zu holen. Ich wühlte mich durch das Chaos durch, das unsere Nacht im R4 nicht gerade strukturierter gemacht hatte. »Und wo ist der Hammer?«, rief ich Renate zu, fand aber überraschend im Wust des Kofferraums meine Buntstiftschachtel.
    »Die muss nachher mit ins Zelt«, freute ich mich über den Fund. Ich öffnete sie, um zu sehen, ob die Mädels die Stifte auch hübsch sortiert und gespitzt hatten – hatten sie natürlich nicht. Was gut war, wie ich sogleich erkannte. Unter dem dicken Regenbogenstift schimmerte es nämlich blau.
    »Das sind ja zwanzig Euro«, stotterte ich verblüfft und machte die Schachtel ganz schnell wieder zu. Ich hatte das Geld wohl bei einem Seminar hineingesteckt, und es hatte unter den Stiften auf mich gewartet, wie eine Nuss, die von einem Eichhörnchen vergessen worden war. Zwanzig Euro, die waren jetzt so etwas wie ein Jackpot für mich. Wenn das nur niemand gesehen hatte. Diese zwanzig Euro gehörten mir. Und nur mir!
    »Nun kommt endlich«, mahnte Nele. Sie steckte unter mehreren

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