Drei Frauen und ein Braeutigam
Erster den Mund auf. »Ich will ja nicht gemein sein, aber hat Grace etwa einen Schlag auf den Kopf bekommen, als sie den Unfall hatte?«
»Stuart hat erst ihren Wagen und dann sie abgeschleppt«, erwidert Tanya. »Es könnte sich um das Helfersyndrom handeln.«
»Was ist das denn?«
»Du weißt schon, wenn jemand für dich sorgt, dich umhegt, dir die fiebrige Stirn abwischt und dein Bett macht. Dann fühlt man sich geliebt und beschützt. Die meisten Menschen brauchen mehr Zuneigung, als sie zugeben würden.«
»Er war also ihre Florence Nightingale im schimmernden Landrover?«
»So etwas in der Art, genau.«
»Ich bleibe trotzdem bei meiner Kopfschlagtheorie«, schmollt Louis.
»Vielleicht sollten wir dem Mann eine Chance geben«, wage ich schuldbewusst einzuwerfen. »Wir kennen ihn doch erst seit einer Stunde.«
Tan zuckt die Achseln. »Du hast ja Recht. Er ist nur absolut nicht Grace‘ Typ.«
»Moment«, unterbreche ich. »Er ist nicht unser Typ. Das ist ein Unterschied. Grace zuliebe sollten wir freundlich zu ihm sein. Außerdem wissen wir doch alle, wie gut sie darin ist, ein verborgenes Potenzial zu entdecken.«
»Genau. Denkt nur mal an ihr Haus. Als sie es kaufte, war es eine Bruchbude.« In Louis‘ Antwort auf meine Schnäppchentheorie schwingt nur ein ganz klein wenig Sarkasmus mit.
Glücklicherweise verstummen wir im rechten Moment, denn eine bis über beide Ohren mit Mineralwasser abgefüllte Grace beschließt, in diesem Moment zum Pinkeln hereinzukommen.
»Ich hätte mir denken können, dass ihr euch hier verschanzt habt«, ruft sie aus ihrer Kabine. »Und ich weiß auch genau, worüber ihr gesprochen habt, also tut nicht so.«
Die Spülung geht, und Grace kommt heraus. Sanft stupst sie Tanya vom Rand des Waschbeckens, um sich die Hände zu waschen. »Also, was denkt ihr?«, fragt sie breit grinsend und sieht uns alle im Spiegel an. Sie sprudelt vor Begeisterung und erwartet unser Urteil mit einem gespannten Lächeln. »Na los«, ermuntert sie uns, als niemand etwas sagt. »Wie lautet das Urteil?«
»Na ja, er ist sicher nicht das, was wir erwartet haben«, setze ich vorsichtig an und werfe der nicht ganz so diplomatischen Tanya einen warnenden Blick zu.
»Wir hätten euch zwei nie als Paar zusammengetan«, fügt Tanya hinzu, wobei sie ihre Worte sehr bedächtig wählt.
»Ich auch nicht«, sagt Grace grinsend. »Als ich ihn das erste Mal sah, fand ich ihn furchtbar! Ich meine, ich war wirklich dankbar dafür, dass er mir aus der Patsche half. Aber wenn man mir damals gesagt hätte, dass ich mit ihm was anfange, hätte ich laut gelacht.«
»Und woher dann der Sinneswandel?«
»Er ist mir ans Herz gewachsen.« Sie lächelt versonnen.
»Wie eine Klette?«, murmelt Louis. »Oder wie Schimmel«, fügt er die Augen verdrehend hinzu.
Grace packt Louis und verwuschelt ihm zärtlich die Haare. Er zuckt zurück und grinst verschämt. »Pass auf mein Styling auf!«, jammert er und fährt mit den Fingern durch die blaue Haarpracht, um sie wieder aufzustacheln.
»Und du sei nicht so gemein«, ermahnt ihn Grace. »Ich habe euch doch gesagt, dass er schüchtern ist. Aber er ist wirklich ganz süß.«
»Wenn du es sagst.« Louis hält die Hände unter kaltes Wasser und fährt mit den feuchten Fingern erneut durch sein platt gedrücktes Haar.
»Das tue ich, ja. Ihr werdet euch an ihn gewöhnen.« Sie sieht uns der Reihe nach flehend an. »Vertraut mir. Ihr werdet ihn bald genauso ins Herz geschlossen haben wie ich. Ehrlich gesagt...« Das flehende Lächeln weicht dem frechen, durchtriebenen Grinsen, das ich bei ihr seit siebzehn Jahren kenne und liebe. »Ehrlich gesagt mache ich mir nur um eines Sorgen: Ob er sich auch an euch Schreckgespenster gewöhnen kann. Ich meine, ich habe Jahre gebraucht...«
Stuart mit u und Grace besteigen um halb elf Händchen haltend ein Taxi.
»Sie ist vor der letzten Bestellung gegangen«, murmelt Tanya schockiert, schüttelt den Kopf und kippt ihren siebten Gin runter - der Tonic ist mit jedem Drink weniger geworden.
»Und ohne mich!«, heult Louis. »Ich dachte, dass wir uns ein Taxi zurück teilen!«
Louis und Grace leben beide im Stadtteil Islington. Grace in einem hübschen Reihenhäuschen, in dessen Renovierung sie in den letzten drei Jahren viel Zeit und Geld gesteckt hat, Louis in einem riesigen alten Mietshaus, das ihm und ungefähr acht seiner durchgeknallten Freunde ein Dach über dem Kopf bietet und deshalb Pink Party Palace getauft wurde.
»Keine
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