Drei Hände Im Brunnen
aber ihre Blicke trafen mich mit einem Grad an sengender Hitze, die das Wachs an Ikarus’ Flügeln geschmolzen haben musste, als er der Sonne zu nahe kam.
Die andere war ein noch viel härterer Brocken: Petros von ihm getrennt lebende Frau Arria Silvia.
XV
»Du brauchst gar nicht nachzusehen. Ich habe die Kinder nicht mitgebracht.« Silvia verlor keine Zeit. Sie war ein Fünkchen, zurechtgemacht wie eine Puppe. Petronius pflegte über sie zu lachen, als hätte sie nur einen energischen Charakter; ich hielt sie für völlig unmäßig. Sie presste die Hände zusammen und stieß hervor: »In dieser Gegend weiß man ja nie, auf was für Typen sie stoßen könnten.« Silvia hatte sich nie davor gescheut, grob zu werden.
»Sie sind auch meine Kinder.« Petronius war ein echter Paterfamilias. Da er die drei Mädchen bei ihrer Geburt anerkannt hatte, gehörten sie gesetzmäßig ihm. Wenn er hätte Schwierigkeiten machen wollen, hätte er darauf bestehen können, dass sie bei ihm lebten. Aber wir gehörten zur Plebs. Er hatte keine Möglichkeit, sich um sie zu kümmern, wie Silvia genau wusste.
»Hast du sie deswegen verlassen?«
»Ich bin gegangen, weil du es von mir verlangt hast.«
Petros Ruhe brachte Silvia nur noch mehr in Rage. Er wusste genau, wie er sie mit seiner Beherrschtheit auf die Palme treiben konnte. »Und, wundert dich das, du Mistbock?«
Silvias Wut verstärkte seine Dickköpfigkeit. Er verschränkte die Arme. »Wir kriegen das schon geregelt.«
»Das ist deine Antwort auf alles!«
Helena und ich achteten darauf, uns neutral zu verhalten. Ich hätte es dabei belassen, aber da gerade eine Pause eingetreten war, warf Helena traurig ein: »Ich finde es schade, euch beide so zu sehen.«
Silvia warf den Kopf zurück, ganz die ungezähmte Stute. Zum Pech für Petro waren mehr als eine Hand voll Karotten nötig, um sie zu beruhigen. »Misch dich nicht ein, Helena.«
Helena gab sich nach außen hin gelassen, was bedeutete, dass sie Silvia am liebsten die Obstschale an den Kopf geworfen hätte. »Das war nur die Feststellung einer Tatsache. Marcus und ich haben euch immer um euer harmonisches Familienleben beneidet.«
Arria Silvia erhob sich. Sie besaß ein undeutbares Lächeln, das Petronius bestimmt mal bezaubernd gefunden hatte. Heute setzte sie es als bittere Waffe ein. »Tja, jetzt siehst du, was für ein Schwindel das war.« Ihr Kampfgeist verflog, was ich beängstigend fand. Sie wandte sich zum Gehen. Petronius stand ihr im Weg. »Kann ich mal vorbei?«
»Ich möchte meine Töchter sehen.«
»Deine Töchter möchten einen Vater sehen, der nicht jedes zerbrochene Pflänzchen aufhebt, das ihm vor die Füße fällt.«
Petronius machte sich nicht die Mühe, ihr zu widersprechen. Er trat zur Seite und ließ sie durch.
Petro blieb noch so lange stehen, bis er sicher war, Arria Silvia nicht auf der Straße zu begegnen. Dann ging auch er, weil es nichts mehr zu sagen gab.
Julia hatte inzwischen ihr Bäuerchen gemacht. Auf dem Tisch lag ein neues Spielzeug, das Silvia als Geschenk für das Baby mitgebracht haben musste. Wir übersahen es, da wir beide wussten, dass uns der Anblick von nun an unangenehm berühren würde. Helena legte das Baby in seine Wiege. Manchmal durfte ich das tun, aber heute nicht.
»Es wird nicht wieder vorkommen«, versprach ich, ohne näher erklären zu müssen, was ich meinte.
»Das wird es nicht«, pflichtete sie bei.
»Dafür gibt es keine Entschuldigung.«
»Bestimmt wurdest du zu etwas äußerst Wichtigem fortgerufen.«
»Nichts ist wichtiger als Julias Sicherheit.«
»Das meine ich auch.«
Wir standen auf gegenüberliegenden Seiten des Zimmers und sprachen leise, als wollten wir das Baby nicht wecken. Der Ton war seltsam leicht, vorsichtig, ohne allzu viel Nachdruck auf Helenas Warnung und meine Entschuldigung. Der offene Streit zwischen unseren beiden alten Freunden hatte uns so mitgenommen, dass wir keinen eigenen riskieren wollten.
»Wir werden ein Kindermädchen brauchen«, sagte Helena.
Diese vernünftige Feststellung trug gewaltige Konsequenzen in sich. Entweder musste ich nachgeben und mir eine Frau von den Camilli ausborgen (was uns schon angeboten, aber von mir stolz abgelehnt worden war), oder ich musste selbst eine Sklavin kaufen. Das wäre eine Neuerung, auf die ich kaum vorbereitet war – ich hatte nicht das Geld, sie zu kaufen, zu
Weitere Kostenlose Bücher