Drei Hände Im Brunnen
unserer Begrüßung aufgesprungen, und schickte seine jämmerliche Schlägertruppe weg. Es bedurfte keiner gegenseitigen Vorstellung. Wir kannten diesen Kerl: Anacrites.
»Schau, schau«, sagte er.
»Schau, schau«, gaben wir zurück.
Ich wandte mich an Petro. »Es ist unser seit langem auf See vermisster Bruder.«
»Ach, und ich dachte, es sei der vermisste Erbe deines Vaters.«
»Nein, den hab ich auf einem sehr verlässlichen Bergrücken ausgesetzt. Den sollte inzwischen längst ein Bär verputzt haben.«
»Und wer ist der dann?«
»Ich glaube, das muss der unbeliebte Geldverleiher sein, den wir in einem Deckenschrank verstecken wollen, bevor wir den Schlüssel dazu wegschmeißen.«
Aus irgendeinem Grund schien Anacrites keinen Spaß an unseren Hänseleien zu haben. Na ja, niemand erwartet von einem Spion, dass er zivilisiert ist. Wir besannen uns auf seine Kopfverletzung und taten so, als würden wir uns nicht mehr gegen ihn zusammenrotten, obwohl der Schweiß auf seiner Stirn und der argwöhnische Blick seiner halb geschlossenen grauen Augen uns verriet, dass er immer noch befürchtete, wir würden nur auf die Gelegenheit lauern, ihn so lange kopfüber in einen Wassereimer zu stecken, bis wir kein Blubbern mehr von ihm hörten.
Wir nahmen den Raum in Besitz, warfen Schriftrollen zur Seite und schoben die Möbel herum. Er beschloss, kein Theater zu machen. Wir waren zu zweit, einer davon sehr groß und beide sehr wütend. Außerdem war er angeblich krank.
»Warum bedrohen Sie uns wegen unserer unschuldigen Neugier?«, knurrte Petronius ihn an.
»Sie betreiben Panikmache.«
»Was wir entdeckt haben, gibt durchaus Anlass, alarmiert zu sein.«
»Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung.«
»Jedes Mal, wenn ich das höre«, sagte ich, »stellt es sich als Lüge eines verschlagenen Beamten heraus.«
»Der Kurator der Aquädukte nimmt die Situation sehr ernst.«
»Und deswegen lümmeln Sie hier in seinem Büro herum?«
»Ich bin für einen Spezialauftrag ausgewählt worden.«
»Die Brunnen mit einem hübschen kleinen Schwamm zu säubern?«
Er sah beleidigt aus. »Ich berate den Kurator, Falco.«
»Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht. Als wir berichtet haben, dass Leichenteile den Wasserzufluss blockieren, wollte der Drecksack nichts davon wissen.«
Anacrites fand sein Selbstvertrauen wieder. Er nahm die freundliche, selbstgerechte Haltung eines Mannes ein, der uns den Job geklaut hatte. »So läuft das nun mal im öffentlichen Dienst, mein Freund. Wenn sie beschließen, eine Untersuchung durchzuführen, betrauen sie damit niemals denjenigen, der sie auf das Problem aufmerksam gemacht hat. Sie misstrauen ihm; der Informant neigt meist zu der Ansicht, dass er der Experte ist und die Wahnsinnstheorien hat. Stattdessen setzen sie einen Profi ein.«
»Sie meinen, einen unfähigen Neuling, der kein wirkliches Interesse hat?«
Er grinste triumphierend.
Petronius und ich wechselten einen eisigen Blick, dann sprangen wir auf die Füße und verschwanden.
Wir hatten unsere Nachforschungen an den Oberspion verloren. Selbst auf Krankenurlaub besaß Anacrites mehr Gewicht als wir zwei. Tja, damit verschwand bei uns jedes Interesse, dem Staat zu helfen. Wir konnten uns stattdessen unseren Privatklienten widmen.
Außerdem fiel mir gerade etwas Furchtbares ein – ich war ohne Julia losgegangen. Gute Götter, ich hatte meine drei Monate alte Tochter in einer verrufenen Gegend auf dem Aventin allein gelassen, dazu auch noch in einem leeren Haus.
»Nun ja, das ist eine Möglichkeit zu vermeiden, ein Baby mit sich rumzuschleppen und unprofessionell auszusehen«, meinte Petro.
»Ihr ist bestimmt nichts passiert – hoffe ich. Viel mehr Sorgen macht mir, dass Helena wahrscheinlich inzwischen zurück ist und weiß, was ich getan habe …«
Es war zu heiß zum Rennen. Trotzdem kehrten wir auf dem schnellsten Wege nach Hause zurück.
Als wir die Treppe hinaufkamen, erkannten wir gleich, dass es Julia gut ging und sie inzwischen ordentlich Gesellschaft bekommen hatte. Frauenstimmen unterhielten sich drinnen in normaler Lautstärke. Wir tauschten einen Blick aus, den man nur als gedankenvoll bezeichnen konnte, dann schlenderten wir hinein, als wäre unserer ehrlichen Meinung nach überhaupt nichts passiert.
Eine der Frauen war Helena Justina, die jetzt das Baby stillte. Sie sagte nichts,
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