Drei Hände Im Brunnen
blieben schließlich nahe des alten Tempels des Portunus direkt über dem Austrittsbogen der Cloaca Maxima am Ufer stehen. Wäre der richtige Ort gewesen, Lollius in den Fluss zu schubsen, so wie es hier stank. Ich hätte es tun sollen. Rom und Gallas Kinder hätten es mir gedankt.
»Was willst du, Marcus?«
»Für dich immer noch Falco. Du solltest dem Familienvorstand mehr Respekt entgegenbringen.« Er hielt das für einen Scherz. Vorstand unserer Familie zu sein war eine undurchführbare Ehre. Außerdem unerträglich – eine Strafe, die mir die Parzen aus Böswilligkeit auferlegt hatten. Mein Vater, der Auktionator und schamlose Betrüger Didius Geminus, hätte diese vorgeschriebene Pflicht ausüben sollen, aber er war vor vielen Jahren von zu Hause abgehauen. Er war abgebrüht und gerissen.
Lollius und ich schauten trübsinnig zum Pons Aemilius hinüber. »Erzähl mir davon, was du im Fluss findest, Lollius.«
»Scheiße.«
»Ist das als Antwort zu betrachten oder als allgemeiner Fluch?«
»Beides.«
»Ich will was über die zerstückelten Leichen hören.«
»Selber schuld.«
Ich sah ihn streng an. Es half nichts.
Als ich mich zwang, ihn genauer zu betrachten, wurde mir einmal mehr bestätigt, was für ein erbärmliches Exemplar er war. Lollius wirkte wie fünfzig, musste aber etwa in meinem Alter sein. Er war kleiner und gedrungener als ich und in so schlechter Verfassung, dass es gut für seine Erben aussah. Sein Gesicht war schon hässlich gewesen, bevor er die meisten seiner Zähne verloren hatte und sich eins seiner Augen dauerhaft schloss, nachdem ihm Galla eine dickbödige Pfannkuchenpfanne draufgeknallt hatte. Seine Augen standen zu eng zusammen, seine Nase war so verbogen, dass er permanent schniefte, und einen Hals hatte er erst gar nicht. Die traditionelle Wollmütze der Bootsmänner bedeckte sein strähniges Haar. Das Ganze wurde durch mehrere Lagen übereinander getragener Tuniken vervollständigt; wenn er genug Wein auf die eine gekleckert hatte, zog er einfach eine andere darüber.
Gab es denn gar nichts, was für ihn sprach? Na ja, er konnte ein Boot rudern. Er konnte schwimmen. Er konnte fluchen, prügeln und vögeln. Er war ein potenter Ehemann, aber ein treuloser Vater. Er hatte ein regelmäßiges Einkommen, belog meine Schwester jedoch darüber und gab ihr nie etwas zum Unterhalt der Familie – ein klassischer Fall. Wahres Metall aus der traditionellen römischen Gussform. Bestimmt überfällig, um in die Priesterschaft oder für ein Tribunat gewählt zu werden.
Ich schaute wieder auf den Fluss. Er machte nicht viel her. Braun und unstet gurgelnd wie immer. Manchmal überflutete er die Ufer, doch den Rest der Zeit war der legendäre Tiber nur ein mittelmäßiger Strom. Ich war in kleineren Städten gewesen, die an beeindruckenderen Flüssen lagen. Aber Rom war hier nicht nur wegen der legendären Sieben Hügel erbaut worden. Die Stadt hatte die beste Lage in Zentralitalien. Die Tiberinsel zu unserer Rechten war die erste Möglichkeit zum Brückenschlag meeraufwärts gewesen, nur eine gemütliche Tagereise von der Küste entfernt. Den begriffsstutzigen Schäfern, die es für clever gehalten hatten, eine Schwemmebene zu befestigen und ihr Forum auf brackigem Sumpfland zu erbauen, war es wahrscheinlich wie der ideale Siedlungsort vorgekommen.
In der jetzigen Zeit erwies sich der schmale, verschlammte Fluss als schwerer Nachteil. Rom importierte unglaubliche Mengen von Handelsgütern aus der ganzen Welt. Jede Amphore und jeder Ballen mussten über die Fernstraßen auf Karren oder Eselsrücken herangeschafft oder auf Barken zum Emporium geschippert werden. Der neue Hafen in Ostia hatte umgebaut werden müssen, war aber immer noch unbefriedigend. Neben den Barken gab es demzufolge noch viele kleine Transportboote, und das machte die Existenz solcher Parasiten wie Lollius möglich.
Er war der Letzte, von dem ich Hilfe bei einer meiner Nachforschungen annehmen wollte. Doch Petro und ich brauchten dringend verwendbare Informationen. Wenn wir mit Anacrites wetteifern wollten, musste selbst mein Schwager angezapft werden. »Entweder hältst du die Klappe über die Funde, Lollius, oder du sagst mir im Namen der Götter, was es ist.«
Er warf mir seinen unzuverlässigsten Blick zu, listig und verschwommen. »Ach, du meinst die Festtagsleckerbissen!«
Ich wusste sofort, dass der Knallkopp mir etwas Bedeutsames mitgeteilt
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