Drei Hände Im Brunnen
hatte.
XVII
»So nennen wir sie«, meinte er hämisch. Da er selbst schwer von Begriff war, hielt er mich für ebenso dämlich. »Festtagsleckerbissen …«, wiederholte er liebevoll.
»Wovon sprichst du eigentlich, Lollius?«
Er ahmte mit dem Zeigefinger zwei Schnitte nach, einen quer über seinen dreckigen Hals und einen oberhalb seiner dicken Beine. »Du weißt schon.«
»Torsos? Ohne Gliedmaßen?«
»Ja.«
Ich war nicht mehr in Plauderstimmung, aber mein Schwager sah ganz begierig aus. Um ihn davon abzuhalten, weitere scheußliche Einzelheiten zum Besten zu geben, fragte ich: »Die Köpfe fehlen ebenfalls, nehme ich an?«
»Klar doch. Alles, was man abhacken kann.« Lollius entblößte den Rest seiner Zahnstümpfe zu einem hässlichen Grinsen. »Einschließlich der Möpse.« Er malte Kreise auf seinem Brustkorb und fuhr dann mit der flachen Hand darüber, als würde er Brüste abschneiden. Gleichzeitig machte er ein widerliches schmatzendes Geräusch mit den Lippen.
»Dann sind es also Frauen?« Seine Pantomime war äußerst plastisch, aber ich hatte gelernt, mich bei ihm immer doppelt abzusichern.
»Zumindest waren sie das mal. Sklavinnen oder Flittchen, nehmen wir an.«
»Wie kommst du darauf?«
»Keiner hat je nach ihnen gesucht. Was sollten sie sonst sein? Na gut, Sklavinnen sind vielleicht wertvoll. Dann sind es eben alles brave Mädchen, die einfach Pech gehabt haben.« Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. Ich missbilligte seine Haltung, aber er hatte vermutlich Recht.
»Ich hab noch nie was von diesen Mädchen ohne Gliedmaßen gehört.«
»Dann verkehrst du in den falschen Kreisen, Falco.«
Ich hatte nicht vor, meinen gesellschaftlichen Umgang zu ändern. »Hast du welche davon rausgefischt?«
»Nein, aber ich kenne jemanden, der das gemacht hat.« Schon wieder diese alte Leier.
»Hast du sie mit eigenen Augen gesehen?«
»Hab ich.« Bei der Erinnerung daran wurde selbst er still.
»Von wie vielen reden wir hier?«
»Na ja, so viele waren es nicht«, gab Lollius zu. »Gerade genug, dass wir wissen, er hat’s schon wieder getan, wenn eine im Wasser treibt oder sich an einem Ruder verfängt. Sie sehen alle ziemlich gleich aus«, erklärte er, als wäre ich zu dämlich, um mir selbst denken zu können, wie die Bootsmänner in Kontakt mit ihnen kamen.
»Mit den gleichen Verstümmelungen? Das hört sich so an, als wäre das Rausfischen dieser Schönheiten ein selbstverständlicher Teil deiner Arbeit. Wie lange geht das schon so?«
»Ach, seit Jahren!« Das sagte er recht bestimmt.
»Jahren? Wie vielen Jahren?«
»Seit ich Bootsmann bin. Na ja, zumindest die meiste Zeit« Ich hätte wissen müssen, dass Lollius sich zu nichts mit Bestimmtheit äußerte, selbst wenn es sich um etwas so Sensationelles handelte.
»Wir haben es also mit einem erwachsenen Mörder zu tun?«
»Oder mit einem vererbten Familiengeschäft«, erwiderte Lollius kichernd.
»Wann wurde die Letzte entdeckt?«
»Die Letzte, von der ich gehört habe« – Lollius machte eine Pause, damit ich begriff, dass er im Zentrum des Lebens auf dem Fluss stand und daher alles Wichtige mitbekam – »war irgendwann im April. Manchmal finden wir sie aber auch im Juli und manchmal im Herbst.«
»Und wie hast du sie genannt?«
»Festtagsleckerbissen.« Er war immer noch stolz auf die Bezeichnung und wiederholte sie nur zu gerne. »Wie diese besonderen kretischen Kuchen, weißt du?«
»Ja, ja, hab schon verstanden. Sie tauchen also an öffentlichen Feiertagen auf.«
»Hübsch, nicht? Jemand muss entdeckt haben, dass es immer dann passiert, wenn große Spiele im Gange sind oder Triumphzüge.«
»Der Kalender ist so voller Feiertage, dass es mich wundert, wie das jemandem aufgefallen ist.«
»Der Witz ist, dass es immer dann passiert, wenn wir mit wirklich scheußlichem Kopfweh zur Arbeit zurückkehren und uns schon von viel weniger schlecht wird.« Auch das passierte dauernd. Die Bootsmänner waren berüchtigt für ihre Saufgelage.
»Wenn ihr sie rausfischt, was macht ihr dann mit den Leichen?«
Lollius funkelte mich an. »Was glaubst du wohl? Wir piken sie mit dem Bootshaken auf, um das Gas rauszulassen, schleppen sie dann den Fluss runter, wo uns keiner sieht, und versenken sie, wenn es geht.«
»Oh, wie menschenfreundlich.«
Sein Hohn war gerechtfertigt. »Wir sind ja
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