Drei Hände Im Brunnen
sagte Aelianus sofort, da er aus einer scharfsinnigen Familie kam und gut erzogen war. Aber Claudia fürchtete sich vor dem nächtlichen Rom und lehnte die Einladung ihres Verlobten ab.
»Keine Bange, wir kümmern uns um sie«, versicherte sein Bruder dem zukünftigen Bräutigam. Es war eine ruhige und unkritische Bemerkung. Justinus hatte schon immer gewusst, wie er ihm unbemerkt eins reinwürgen konnte. Die Jungs konnten sich nicht ausstehen. Ihr Altersunterschied von zwei Jahren war einfach zu gering. Sie hatten nicht die Angewohnheit, etwas zu teilen, schon gar nicht Verantwortung.
»Danke«, erwiderte Aelianus lakonisch. Er schien es sich möglicherweise anders zu überlegen. Vielleicht aber auch nicht.
Er verließ uns. Claudia unterhielt sich weiter mit Helena über die Waisenschule, was sie beide zu befriedigen schien. Claudia hatte unser Baby auf dem Arm. Sie war die Art von Mädchen, die sich Babys sofort schnappen und zeigen, wie gefühlvoll sie sein können. Das war vielleicht nicht der richtige Weg zum Herzen ihres Verlobten. Aelianus konnte den Gedanken, sich zu verehelichen, gerade noch hinnehmen. Es war taktlos von Claudia, ihm zu zeigen, dass sie von ihm erwartete, seinen Teil zum Füllen des Kinderzimmers beizutragen.
Ich genoss meine Unterhaltung mit Justinus. Wir hatten einst ein gemeinsames Abenteuer erlebt, waren wie die Helden durch den Norden Germaniens getobt, und ich hielt seitdem sehr viel von ihm. Wenn ich seiner Gesellschaftsschicht angehört hätte, dann hätte ich ihm ein Patronat angeboten, aber als Privatermittler konnte ich ihm keine Hilfe geben.
Er war jetzt Anfang zwanzig, ein hoch aufgeschossener und schlanker junger Mann, dessen gutes Aussehen und Liebenswürdigkeit unter den gelangweilten Ehefrauen der Senatoren Chaos hätte anrichten können, wenn ihm je aufgegangen wäre, dass er das Zeug zum Herzensbrecher hatte. Sein Charme bestand zu einem großen Teil darin, dass er von seinen Talenten und seinem Verführungspotenzial keine Ahnung hatte. Doch diese großen braunen Augen mit dem faszinierenden Anflug von Traurigkeit bemerkten wahrscheinlich mehr, als er zeigte. Quintus Camillus Justinus war ein gerissener kleiner Soldat. Einem Gerücht zufolge jagte er einer Schauspielerin nach, aber ich fragte mich, ob das Gerücht nicht absichtlich in die Welt gesetzt worden war, damit man ihn in Ruhe ließ, während er sich seinen eigenen Weg suchte. Schauspielerinnen waren der Tod für Senatorensöhne. Quintus war zu klug für einen gesellschaftlichen Selbstmord.
Vespasian hatte ihn von einem militärischen Tribunat in Germanien nach Rom zurückbeordert, anscheinend ein großer Gunstbeweis. Wie es so oft geschieht, löste sich das Versprechen auf eine Beförderung in nichts auf, sobald Justinus zu Hause ankam. Andere Helden forderten Aufmerksamkeit. Justinus, der stets zurückhaltend war, zeigte weder Überraschung noch Verärgerung. Ich war wütend für ihn, und ich wusste, dass Helena es auch war.
»Ich dachte, es sei die Rede davon, dass du dich gleichzeitig mit deinem Bruder für die Senatswahl aufstellen lässt? Hat der Kaiser nicht angedeutet, dass ein frühzeitiger Eintritt möglich sei?«
»Die Luft ist raus.« Er lächelte gequält. Jede Schankkellnerin hätte seinen Becher sofort noch einmal kostenlos aufgefüllt. »Du weißt, wie das ist, Marcus. Also werde ich mich wohl erst im üblichen Alter zur Wahl aufstellen lassen. Das verteilt Papas finanzielle Belastung.« Er hielt inne. »Ich weiß sowieso noch nicht, was ich machen will.«
»Durchläufst grad ’ne schwierige Phase, was?«, meinte ich grinsend. Er wollte sich beweisen – und es besser machen als Aelianus. Das war ganz klar.
»Ziemlich schwierig«, gab er zu.
Helena sah auf. Sie musste zugehört haben, obwohl sie ins Gespräch mit Claudia vertieft schien. »Ich nehme an, du kratzt dich vor Vaters illustren Freunden, weigerst dich, mehr als einmal im Monat deine Tunika zu wechseln, und bist mürrisch zur Frühstückszeit?«
Er strahlte sie liebevoll an. »Ich komme gar nicht erst zum Frühstück, liebste Schwester. Mitten am Morgen, wenn alle Sklaven damit beschäftigt sind, die Böden aufzuwischen, steige ich aus dem Bett, tappe mit den dreckigen Schuhen vom Abend vorher über den sauberen Boden und verlange eine frische Sardine und ein Omelett aus fünf Eiern, das genau richtig gebraten sein muss. Wenn es mir dann serviert wird, lasse ich die Hälfte
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