Drei Hände Im Brunnen
Das war kein Augenblick zur Spekulation.
Ich küsste sie, drückte sie fester an mich als gewöhnlich, erinnerte mich und sie daran, wie sie ihren spätnächtlich heimkehrenden Helden willkommen geheißen hatte. Das häusliche Leben und die Arbeit trafen zusammen, blieben aber auf unbestimmte Weise getrennt. Helenas schwaches Lächeln gehörte zu unserem Privatleben. Genau wie der plötzliche Blutandrang, den ich als Reaktion darauf spürte.
Sie fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, zupfte an meinen Locken und bemühte sich, sie zu ordnen, damit ich mich sehen lassen konnte. Ich ließ sie gewähren, obwohl mir klar war, dass das Treffen, zu dem ich gebeten worden war, keine ordentliche Frisur erforderte.
Wir versammelten uns am Flussufer direkt unterhalb des Pons Aemilius. Martinus, der massige, breithüftige neue Ermittlungsbeamte der Sechsten Kohorte, hatte das Kommando. Er hatte eine gerade geschnittene Ponyfrisur und eine Warze auf der Wange, dazu große Augen, die stundenlang nachdenklich schauen konnten als Tarnung dafür, dass er überhaupt nicht dachte. Er sagte mir, er habe sich dagegen entschieden, Petro holen zu lassen, weil seine Situation mit den Vigiles so »heikel« sei. Ich schwieg. Wenn Petronius letzte Nacht so lange auf seinem Beobachtungsposten geblieben war, wie ich vermutete, brauchte er seinen Schlaf. Außerdem war das Gute an einer Partnerschaft, dass wir uns die unangenehmen Aufgaben teilen konnten. Hier waren wir nicht beide vonnöten. Wir mussten nur persönlich von der Entdeckung Notiz nehmen und unser Interesse bekunden.
Bei Martinus waren zwei seiner Männer und ein paar Bootsleute; mein Schwager Lollius befand sich nicht darunter, wie ich erleichtert feststellte. Tja, es war noch nicht Mittag. Lollius würde nach wie vor mit dem Kopf im Schoß einer kleinen Schankkellnerin schlafen.
Am Rande der Uferstraße lagen ein dunkler Haufen und ein Stück Stoff. Um sie herum war das Steinpflaster feucht. Wasser tropfte aus beidem. Die Gegenstände, wie Martinus sie nannte, waren an diesem Morgen aus dem Tiber gefischt worden, nachdem sie sich in der Vertäuung einer Barke verfangen hatten. Die Barke war erst gestern den Fluss heraufgekommen und hatte demnach nur eine Nacht hier gelegen.
»Hat jemand was gesehen?«
»Was glaubst du, Falco?«
»Wird wohl so sein.«
»Und du weißt, dass wir Schwierigkeiten haben werden, denjenigen zu finden.«
Der Stoff war vielleicht ein alter Vorhang, da er an einem Ende befranst war. Er musste blutdurchtränkt gewesen sein, bevor er mit dem Wasser in Berührung kam, das Blut genügend geronnen, um ein kurzes Eintauchen zu überstehen. Das Tuch war um einen schlanken jugendlichen Frauentorso gewickelt gewesen, der eine zarte dunkelfarbige Haut gehabt haben musste. Jetzt war ihr einst geschmeidiger Körper verfärbt durch Blutergüsse und Verwesung, das Gewebe in etwas Unmenschliches verwandelt. Zeit, die Sommerhitze und schließlich das Wasser hatten diese schreckliche Veränderung herbeigeführt. Aber das Schlimmste war ihr bereits vorher von ihrem Mörder angetan worden.
Wir nahmen an, dass es der Torso von Asinia war. Niemand würde vorschlagen, sie von ihrem Mann identifizieren zu lassen. Ihr Kopf und ihre Gliedmaßen waren abgehackt worden. Andere Teile ebenfalls. Ich sah hin, weil es nötig schien. Dann fiel es mir schwer, mich nicht zu übergeben. Inzwischen war Asinia seit zwei Wochen tot. Sie hatte den größten Teil dieser Zeit irgendwo anders gelegen. Martinus und die Bootsleute waren alle der Ansicht, dass der verwesende Torso nur ein paar Stunden im Wasser verbracht hatte. Was war vorher mit ihm geschehen, mussten wir uns fragen, weil uns das auf die Spur des Mörders bringen konnte. Aber es fiel schwer, sich auf diese Aufgabe zu konzentrieren.
Ein Mitglied der Vigiles breitete den Vorhang über die Überreste. Erleichtert traten wir alle zurück und versuchten das Gesehene zu vergessen.
Wir diskutierten immer noch über die Möglichkeiten, als ein Bote für Martinus kam. Er wurde auf dem Forum gebraucht. Ein menschlicher Kopf war in der Cloaca Maxima entdeckt worden.
XLI
Als sie den Kanaldeckel öffneten, konnten wir unten in der Dunkelheit das Wasser rauschen hören. Es gab keine Leiter und auch nicht genug Watstiefel und Fackeln. Wir mussten warten, bis sie aus dem Depot geholt wurden, während sich eine neugierige Menge um uns versammelte. Die Leute merkten, dass hier
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