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Drei Hände Im Brunnen

Drei Hände Im Brunnen

Titel: Drei Hände Im Brunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Schatten unter dem Augustusbogen. In unmittelbarer Hörweite konnte ich niemanden sehen. Auch gut. Das große Mädchen, das über Marinas linkem Arm hing, hatte gerade die prächtigen korinthischen Säulen des Tempels der Vesta vollgekotzt. Der Tempel sollte einer alten Hütte aus Holz und Stroh ähneln, doch der nachgemachte antike Bau sah ziemlich neu aus. Er war noch keine zehn Jahre alt, da sein Vorgänger in Neros großem Feuer abgebrannt und hastig wieder aufgebaut worden war, »um den Fortbestand Roms zu gewährleisten«. Marinas Freundin hatte sich kräftig bemüht, der neuen Kolonnade ein verwitterteres Aussehen zu geben.
     
    Das Mädchen, das mit so viel Gusto gekotzt hatte, war sehr dünn, wie eine lange Stoffpuppe, die ihre Füllung verloren hatte und in der Taille abgeknickt über Marinas Arm baumelte. Marina wiederum reichte mir nur halbwegs bis zur Brust, wenn sie aufrecht stand – was sie jetzt mit einigem Schwanken versuchte. Ich näherte mich hier also einem ziemlich erbärmlichen Frauenpaar, und ich fühlte mich zehn Jahre zu alt dafür.
     
    »Hallo, Marcus. Da haben die heiligen Hausfrauen wenigstens was aufzuwischen.«
     
    Marina mochte es zwar an Körpergröße fehlen, aber was sie aufzuweisen hatte, war so wohlgeformt, dass sich stets alle Köpfe nach ihr umdrehten. Ihre Kleidung betonte ihre Reize, und sie war raffiniert geschminkt. Mit ihrer freien Hand machte sie eine obszöne Geste. »Sumpfkühe!«, schrie sie zum Haus der Vestalinnen hinauf, lauter, als es klug war, wenn man sich an die Hüterinnen der Heiligen Flamme wandte. »Steckt euch das in euer Palladion!«, knurrte Marina die hohle Hütte an.
     
    »Nun hör mal zu«, sagte ich schwächlich. »Was ist mit …«
     
    »Marcia ist zu Hause, du Idiot. Sie liegt in ihrem eigenen kleinen Bett, und die Tochter meiner Nachbarin passt auf sie auf. Ein sauberes, vernünftiges Mädchen, dreizehn Jahre alt, kein Interesse an Jungs, den Göttern sei Dank. Wollen euer Hochnäsigkeit sonst noch was wissen?«
     
    »Warst du bei den Spielen?«
     
    »Natürlich nicht. Da geht doch nur der Abschaum hin. Kommst du da her, Falco?« Ein scheußliches Gackern verzerrte ihre prächtige Visage.
     
    Eine Lampe stand auf dem Boden, dort abgestellt, während sich Marina um ihre Gefährtin kümmerte. Im flackernden Lichtschein konnte ich die exotische Freundin meines Bruders genauer betrachten – durchscheinende Haut, atemberaubend gleichmäßige Gesichtszüge und die abgehobene Schönheit einer Tempelstatue. Nur wenn sie sprach, schwand dieser Zauber; sie hatte die Stimme eines Fischweibs. Trotzdem brauchte sie nur ein paar Mal ihre großen Augen zu rollen, und ich empfand wieder das eifersüchtige Pochen, das mich ganz wild gemacht hatte, wenn Festus sie ins Bett zerrte. Dann starb Festus, und ich musste Marinas Rechnungen bezahlen. Das hatte mir geholfen, keusch zu bleiben.
     
    »Wenn du nicht bei den Spielen warst, in welchem Zirkel habt ihr Hexen dann euren Zauber gewirkt?«
     
    »Wir Damen«, formulierte Marina aufgeblasen, obwohl sie wesentlich nüchterner wirkte als die Lumpenpuppe, die den Tempel bekotzte, »waren bei der monatlichen Versammlung der pensionierten Bortenmacherinnen.«
     
    Es hatte mal das Gerücht gegeben, dass Marina auf dem Gebiet der Tunikaverzierung tätig war, wenn sie sich auch große Mühe gab, das zu widerlegen. Das Einzige, was sie dieser Tage um ihre Finger wand, war ich. »Ist es nicht ein bisschen spät, von der Versammlung heimzukehren?«
     
    »Nein, für die Bortenmacherinnen ist das noch früh.« Sie stieß ein anzügliches Kichern aus. Als Antwort kam ein schwaches Hicksen von der Bohnenstange.
     
    »Ich nehme an, nachdem ihr euch genug mit den pensionierten Fransenknoterinnen amüsiert habt, war auf dem Heinweg noch ein Abstecher zu den Vier Fischen nötig?«
     
    »Soweit ich mich erinnere, war es die Alte Graue Taube, Marcus Didius.«
     
    »Und die Austernschale?«
     
    »Danach wahrscheinlich die Venus von Kos. Die verdammte Venus hat der hier den Rest gegeben …«
     
    Marina kümmerte sich jetzt zärtlicher um ihre Freundin – was darin bestand, dass sie sie mit einem Ruck hochzerrte und ihren Kopf mit einem gefährlichen Knacken des Halses nach hinten zwang. »Senk wenigstens die Stimme«, murmelte ich. »Sonst kommen die Vestalinnen noch im Nachthemd hier raus, um nachzusehen, was los ist.«
     
    »Vergiss es! Die sind viel zu sehr damit beschäftigt, den Pontifex Maximus an ihrer heiligen

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