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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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Ballett in Australien gewesen war. Alle meine Freundinnen beneideten mich darum. Fast mehr als um die Westklamotten.
    In den Paketen von Hexe aus Bad Salzuflen waren ausg e waschene Jeans und Samtpullover von ihrer Tochter Pamela. Hexe wußte, was mir g e fiel, obwohl wir uns noch nie gesehen hatten. Wilma meinte, das läge daran, daß ihre Schwester besonders inte l ligent sei und hellsehen könne. Ich zog die Sachen sofort an und zwei Wochen lang nicht mehr aus. Nur in der Nacht trug ich einen Schlafanzug, damit die Jeans, die Großmutter jeden Abend waschen mußte, am nächsten Morgen wieder knalleng saß. Sie fluchte: »Mensch, dit viele Wasser! Der Opa wird fuchsteufelswild!« Doch irgen d wann sagte sie nichts mehr und gewöhnte sich an, meine Hose zu w a schen, wenn Großvater im Bett war. Sie wußte, daß sie gegen mich keine Chance hatte. Die neuen Samtpullover wusch ich lieber selbst und kippte Unmengen Weichspüler ins Wasser. Großmutter nahm nie welchen. Sie behauptete, Weichspüler würden nur verpimpelte Westler benutzen. Die Sachen le g ten wir auf die Heizung. Wilma stand nachts auf und wendete meine Jeans. Wenn sie trotzdem früh nicht tr o cken war, zog ich sie feucht an.
    Tante Frieda aus Edemissen Schwülper schickte die au s sortierten Matchb o xautos von ihrem Sohn Felix. Sie waren verbeult und hatten Lackschäden, aber ich war dankbar. Wenn Felix zu Besuch kam, saß er die ganze Zeit auf seinem Autokoffer und ließ keinen ran. Nicht mal Tante Frieda, obwohl sie seine Mutter war. Großmutter tröstete mich und sagte, Felix sei ein verz o genes Gör, und Tante Frieda werde es mit ihm mal sehr schwer haben.
    Die Pakete von Ki r chenmaus Helene waren die langweiligsten. Sie hatte von allen Westverwandten das wenigste Geld und schickte immer das gleiche: Kaffee, Strumpfhosen, Gumm i bärchen, ein Stück Seife, eine Tafel Schokolade, eine Tüte Schweizer Kräuterzucker, Taschentücher und, wenn der Himmel sie mit e t was Geld gesegnet hatte, Nordseekrabben.
    Großvater war verrückt nach den rosa Tierchen. Der Schweizer Kräuterzucker war heilig, aber die Minikrabben waren eine Offenbarung. Ein Paket ohne Kra b ben war ein schwerer Schlag für uns alle. Gustav bekam seinen Koller und trat mit solcher Wucht gegen Tante Helenes Paket, daß es einmal quer über unser Parkett schli t terte. »Hier«, bellte er, »kannste auspacken den ganzen Tinnef!« Dann schwieg er stundenlang. Wir fühlten uns schuldig, dabei konnten wir nichts dafür. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir Nordseekrabben gehortet, um Großvater bei Laune zu ha l ten. Aber es gab nun mal keine Krabben im Osten.
    Wenn die Krabben im Paket waren, veranstalteten wir einen Nordseekra b benabend. Das Ritual ging so: Wir standen in der Küche um die Krabbe n büchse rum und hielten Untertassen in der Hand. Großvater genehmigte sich zuerst – drei gehäufte Teelöffel. Dann bekam Großmutter – zwei g e häufte Teelöffel. Zum Schluß kriegte ich – einen gehäuften Teelöffel. Ein gehäufter Teelöffel, das waren gerade mal fünf bis sechs Krabben. Mitten in der Nacht rannte ich in die Küche und riß die Kühlschranktür auf. Ich grapschte hastig in die Büchse und schlang die Viecher runter, um auch auf mindestens zwei gehäufte Teelöffel zu kommen. Die Krabben rochen modrig, ich ekelte mich davor, aber die Verteilung mußte gerecht sein.
    Am Heiligen Abend dauerte es eine Ewigkeit, bis wir die G e schenke aus den Westpaketen zu sehen bekamen. Großmutter und ich standen neben Gro ß vater und mußten ihm beim Auspacken zusehen. Wir vergingen fast vor Ungeduld. Kein noch so kleiner Schnipsel Verp a ckung durfte beschädigt werden. Behutsam fuhr das alte Taschenmesser aus Göttingen mit der Spitze unter den Tesafilmstreifen am G e schenkpapier, so daß es beim Ablösen das hübsche Muster nicht zerstörte. Die Schleifenbänder wurden so lange glattgestrichen, bis kein einziger Knick mehr zu sehen war. Es war die reinste Folter. Die Wut stieg von den Z e henspitzen aufwärts in mir hoch bis unter die Schädeldecke, ich bekam Mordgelüste und beulte mit den Fäusten meine Hosent a schen aus.
    Großmutter und ich tauschten: Kaffee gegen Seife, Seife gegen Kaffee. In Tante Helenes Paket waren laut Inhaltsangabe wieder keine Nordseekrabben gewesen, also hatte ich es schon mal au s packen dürfen. Nun tauschten wir aus Langeweile hin und her, schie l ten rüber zu den dicken Knoten und warfen uns verzweifelte Blicke zu. Auch die

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