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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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uns ni e mand einen Koffer entwendet. Die Kontrolle in Büchen verlief reibung s los. Wir hatten uns so gesetzt, daß jeder beobachten konnte, was hinter dem Rücken des G e genübersitzenden vor sich ging. Wilma bemerkte, daß der Mann vom Paß am Wagenausgang u n auffällig im Fahndungsbuch unsere Namen vergeblich suchte ... In Ha m burg-Altona verließen Wilma und ich reichlich bepackt den Zug. Ich ging voran, abgesprochen war zwischen uns beiden, daß Wilma ihre Koffer u n auffällig absetzen und im Stich lassen solle, um den Bahnhof unbehelligt verla s sen zu können ... Von der en t sprechenden Haltestelle schleppten wir (das darf man sagen) g e trennt gehend mit Blicken uns dirigierend ... unsere Koffer zum Ziel.«
    Auf der Rückfahrt fand dann die anfangs erwähnte Verhaftung statt. Gro ß mutter schrieb:
    »Der Zug war eben abgefahren, da kam der Beamte von der Bundesbahnkontrolle auf uns zu und blieb vor meinem Mann st e hen und sagte, daß wir doch erst gestern in die Bundesrepublik eingereist sind: ›Wo sind Ihre Koffer?‹ Wir sagten: ›Wir haben keine Koffer gehabte Er forderte meinen Mann auf, mit ins Diensta b teil zu kommen.« Großvater notierte den Vorfall wie folgt: »Wir hatten eben Hamburg verlassen, als die Paßko n trolle durch den Wagen kam. Wilma saß mir g e genüber. Ich beobachtete, daß die beiden Beamten ziemlich schnell durch den Wagen kamen, aufmerksam die Reisenden musternd, als ob sie jemanden suc h ten ... ›Wo haben Sie Ihre Koffer?‹ ... Ich beteuerte aufrichtig, keine Ko f fer bei der Einreise besessen zu haben. Daraufhin wurde ich aufg e fordert mitzukommen.« Und so weiter und so fort. Nach einem ausführlichen Dialog mit dem Grenzbeamten folgt die blumenreiche Schilderung des Tran s ports ins Polizeirevier, des Verhörs, der Nacht in der Zelle. Wie oft sich Großvater hier »unauffällig« ve r hielt und mit Großmutter nur durch »Augenspiel« verständigte, kann man gar nicht zählen.
    An anderen Stellen erfährt man vieles nicht, auch wenn man das Ganze dreimal in Ruhe liest, denn der Bundesbarockengel hat auf Teufel komm raus geschwärzt. Übrig geblieben sind unvollständige Sätze, die nicht den Ei n druck erwecken, als seien sie mit schädlichen oder gefährlichen Informationen angefüllt. An so l chen Stellen macht das Lesen keinen Spaß: »Hierbei konnte fest- gestellt werden, daß *** sehr gut den Gen. *** ***** — FDGB, die Genn. *** *** aus H a genow, *** ***** MTS Leezen Ludwigslust kennt und Verbindung nach Greifswald unterhält. Darüber hinaus will *** **** und ein *** ***** in Berlin zu einer Tagung gewesen sein.« Wenn man bedenkt, daß diese B e richte fast fünfzig Jahre alt sind, wirken die Schwärzungen geradezu läche r lich. Ein Prinzip, wann und warum Namen geschwärzt wurden, ist nicht zu erke n nen.
    Was man sonst noch aus der Akte erfährt, sind Geschichten aus dem Nac h kriegsalltag, die sich zum Teil wie Possen lesen:
    »Der Gen. **** sagt, daß er den Voß, Gustav seit 1946 kenne. Er weiß, daß Voß 1945 in Hagenow das Referat für Kultur hatte. Hier konnte er sich nicht ha l ten, da er volkseigene Gelder dazu benutzte, seine Hochzeit auszugestalten. Di e se Hochzeit soll auch mit großer Aufmachung vo n statten gegangen sein ... Voß lebte hier über seine Verhältnisse und bekam den Größenwahn ... Er ging so weit, daß er unter Ausnutzung seines VdN-Ausweises sich Vo r teile verschaffte und Lebensmittel einkaufte.« Wenn da mal nicht Großmutter im Spiel war mit ihrer »Mein Mann ist VdN«-Marotte!
    Und dann erfahre ich von einem schrecklichen Verdacht, einer Anschuldigung, die nach Krieg s ende gegen Großvater erhoben wurde: »Gen. **** kennt Voß vom KZ-Lager Sachsenhausen. Hier hat er in der IKL gearbeitet. Die IKL war ein Sonderspez i alkommando, wie z.B. ein statistisches Amt, wo alle R e gistrierungen, Veränderungen usw. eingetragen und vermerkt werden. Der ehemalige Häftling Gustav Voß bet ä tigte sich ..., versuchte sich überall aufzudrängen und lieb Kind zu machen. Sein ganzes Verhalten ließ darauf schließen, daß er mit der SS und Gestapo sympath i sierte.« Und weiter: »... Voss, Gustav, beschuldigt wird, im KZ Sachsenhausen als Spitzel für die Gestapo tätig gewesen zu sein«. Die A n schuldigung wurde von der Staatssicherheit auf ihren Wahrheitsgehalt übe r prüft: »Bei den geführten Ermittlungen konnten bisher keinerlei konkrete Hi n weise von den befragten Personen gegeben werden.« Ein Genosse sagte aus:

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