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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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schafft.«
     Ich blickte verwundert auf die kleine, armselige Gestalt in dem roten Plüschsessel. »Herr Hasse«, sagte ich dann ruhig, »so etwas ist höchstens ein Grund, aber keine Schuld. Außerdem haben Sie es bisher geschafft.«
     Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, ich habe die Frau verrückt gemacht mit meiner ewigen Angst vor der Kündigung. Und ich habe es auch nicht geschafft! Was habe ich ihr schon bieten können! Nichts...«
     Er versank in stumpfes Brüten. Ich stand auf und holte die Kognakflasche. »Trinken wir etwas«, sagte ich. »Es ist ja
    noch nichts verloren.«
    Er hob den Kopf.
     »Es ist noch nichts verloren«, wiederholte ich. »Verloren hat man einen Menschen erst, wenn er tot ist.«
     Er nickte hastig und griff nach dem Glase. Aber er stellte es wieder hin, ohne zu trinken. »Gestern bin ich Bürochef geworden«, sagte er leise. »Oberbuchhalter und Bürochef. Der Prokurist hat es mir abends gesagt. Ich bin es geworden, weil ich in den letzten Monaten immer Überstunden gemacht habe. Man hat zwei Büros zusammengelegt. Der andere Bürovorsteher ist entlassen worden. Ich bekomme fünfzig Mark Gehalt mehr.« Er sah mich plötzlich verzweifelt an. »Glauben Sie, daß sie dageblieben wäre, wenn sie es gewußt hätte?«
     »Nein«, sagte ich.
     »Fünfzig Mark mehr. Ich hätte sie ihr geben können. Sie hätte sich immer etwas kaufen können. Und zwölfhundert Mark habe ich doch auf der Sparkasse! Wozu habe ich das nun gespart? Ich wollte etwas für sie haben, wenn es uns schlecht ginge. Und nun ist sie weggegangen, weil ich dafür gespart habe.«
     Er starrte wieder vor sich hin. »Hasse«, sagte ich, »ich glaube, das hat weniger miteinander zu tun, als Sie denken. Sie sollten gar nicht darüber nachgrübeln. Es ist für Sie nur nötig, über die nächsten paar Tage wegzukommen. Dann werden Sie besser wissen, was Sie tun wollen. Vielleicht ist Ihre Frau heute abend oder morgen schon wieder da. Sie denkt doch ebenso darüber nach wie Sie.«
     »Sie kommt nicht wieder«, antwortete er.
     »Das wissen Sie nicht.«
     »Wenn man ihr sagen könnte, daß ich jetzt mehr Gehalt habe und daß wir Urlaub nehmen und von dem Ersparten eine Reise machen wollten...«
     »Das werden Sie ihr alles sagen können. Man trennt sich nicht so ohne weiteres.«
     Ich war verwundert, daß er überhaupt nicht daran dachte, daß noch ein anderer Mann da war. Aber er war anscheinend noch nicht soweit; er dachte nur daran, daß seine Frau fort war, und alles andere lag noch wie ein undeutlicher Nebel dahinter. Ich hätte ihm gern gesagt, daß er in einigen Wochen vielleicht froh sein würde, daß sie weg war – aber es wäre mir bei seiner Verstörtheit als unnötige Roheit erschienen. Wahrheit ist für ein verletztes Gefühl immer roh und fast unerträglich.
     Ich sprach noch eine Zeitlang mit ihm – nur damit er sprechen konnte. Ich erreichte nichts – er drehte sich im Kreise herum, aber ich hatte den Eindruck, daß er etwas ruhiger wurde. Er trank auch einen Kognak. Dann hörte ich Pat nebenan rufen.
     »Einen Augenblick!« sagte ich und stand auf.
     »Ja«, erwiderte er wie ein gehorsamer Knabe und erhob sich ebenfalls.
     »Bleiben Sie nur, ich bin gleich wieder da.«
     »Verzeihen Sie...«
     »Ich bin sofort zurück«, sagte ich und ging zu Pat hinüber.
     Sie saß aufrecht im Bett und sah frisch und wohl aus. »Ich habe wunderbar geschlafen, Robby! Es ist sicher schon Mittag.«
     »Du hast genau eine Stunde geschlafen«, sagte ich und hielt ihr die Uhr hin.
     Sie sah auf das Zifferblatt. »Um so besser, dann haben wir noch eine Menge Zeit für uns. Ich stehe gleich auf.«
     »Schön. Ich komme in zehn Minuten wieder 'rein.«
     »Hast du Besuch?«
     »Hasse«, sagte ich. »Aber es dauert nicht lange.«
     Ich ging zurück, aber Hasse war nicht mehr da. Ich öffnete die Tür zum Korridor, aber der Gang war leer. Ich ging den Korridor hinunter und klopfte an seine Tür. Er antwortete nicht. Ich öffnete die Tür und sah ihn vor dem Schrank stehen. Ein paar Schubfächer waren herausgezogen.
     »Hasse«, sagte ich, »nehmen Sie ein Schlafmittel, legen Sie sich zu Bett und überschlafen Sie die Sache erst einmal. Sie sind jetzt überreizt.«
     Er wendete sich langsam mir zu. »Immer allein, jeden Abend! Immer wie gestern herumsitzen, denken Sie sich das mal aus...«
     Ich sagte ihm, daß sich das ändern würde und daß es viele Leute gäbe, die abends allein wären. Er gab keine

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