Drei Männer im Schnee
sagte er, »daß Herr Kesselhuth für meinen jungen Freund beim ollen Tobler etwas erreichen möge!«
Johann kicherte vor sich hin. »Mach ich, mach ich!« murmelte er und trank sein Glas leer.
Hagedorn sagte: »Lieber Schulze, wir kennen uns noch nicht lange.
Aber vielleicht sollten wir in diesem Augenblick fragen, ob Herr Kesselhuth auch für Sie etwas unternehmen kann?«
»Keine schlechte Idee«, meinte Schulze.
Johann Kesselhuth sagte amüsiert: »Ich werde Geheimrat Tobler nahelegen, auch Herrn Schulze anzustellen. Was sind Sie denn von Beruf?«
»Auch Werbefachmann«, antwortete Schulze.
»Schön wär’s, wenn wir in derselben Abteilung arbeiten könnten«, meinte Hagedorn. »Wir verstehen uns nämlich sehr gut, Schulze und ich. Wir würden den Toblerkonzern propagandistisch gründlich aufmöbeln. Er kann’s gebrauchen. Was ich da in der letzten Zeit an Reklame gesehen habe, war zum Heulen.«
»So?« fragte Schulze.
»Grauenhaft dilettantisch!« erklärte der junge Mann. »Bei dem Reklameetat, den so ein Konzern hat, kann man ganz anders loslegen. Wir werden dem Tobler zeigen, was für knusperige Kerle wir sind! Ist er übrigens ein netter Mensch?«
»Ach ja«, sagte Johann Kesselhuth. »Mir gefällt er. Aber das ist natürlich Geschmackssache.«
»Wir werden ja sehen«, meinte Hagedorn. »Trinken wir auf ihn! Der olle Tobler soll leben!« Sie stießen an.
»Das soll er«, sagte Kesselhuth und blickte Herrn Schulze liebevoll in die Augen.
Nachdem die von Karl dem Kühnen gestiftete Flasche leergetrunken war, bestellte der Schiffahrtslinienbesitzer Kesselhuth eine weitere Flasche. Sie wunderten sich, daß sie, trotz der langen Reise, noch immer nicht müde waren. Sie schoben es auf die Höhenluft. Dann kletterten sie ins Bräustübl hinunter, aßen Weißwürste und tranken Münchner Bier.
Aber sie blieben nur kurze Zeit. Denn die rassige Dame aus Polen, die abends eingetroffen war, saß mit Mister Bryan in einer schummrigen Ecke, und Hagedorn sagte: »Ich fürchte, wir sind der internationalen Verständigung im Wege.«
Die Bar war, als sie zurückkamen, noch voller als vorher. Frau von Mallebré und Baron Keller saßen an der Theke, tranken Cocktails und knabberten Kaffeebohnen. Frau Casparius und der dicke Herr Lenz waren aus dem Esplanade zurück und knobelten. Eine stattliche Schar rotwangiger Holländer lärmte an einem großen runden Tisch. Und das sächsische Ehepaar mokierte sich über die phonetische Impertinenz der holländischen Sprache. Später verdrängte einer der Holländer den Klavierspieler. Sofort erhoben sich seine temperamentvollen Landsleute und veranstalteten, ungeachtet ihrer Smokings und mondänen Abendkleider, echt holländische Volkstänze.
Sullivan rutschte von seinem Barhocker und nahm, da sich Fräulein Marek sträubte, als Solist und gefährlich taumelnd, an dem ländlichen Treiben teil. Das währte rund zwanzig Minuten. Dann eroberte der Klavierspieler seinen angestammten Drehsessel zurück.
»Nun tanzen Sie schon endlich mit einer Ihrer Verehrerinnen!« sagte Schulze zu Hagedorn. »Es ist ja kaum noch zum Aushalten, wie sich die Weiber die Augen verrenken!«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Man meint ja gar nicht mich, sondern den Thronfolger von Albanien.«
»Wenn’s weiter nichts ist!« erwiderte Schulze. »Das würde mich wenig stören. Der Effekt ist die Hauptsache.«
Hagedorn wandte sich an Kesselhuth. »Man hält mich hier im Hotel unbegreiflicherweise für den Enkel von Rockefeller oder für einen verkleideten Königssohn. Dabei bin ich keines von beiden.«
»Unglaublich!« sagte Herr Kesselhuth. Er bemühte sich, ein überraschtes Gesicht zu ziehen. »Was es so alles gibt!«
»Das bleibt aber, bitte, unter uns!« bat Hagedorn. »Ich hätte das Mißverständnis gerne richtiggestellt. Aber Schulze hat mir abgeraten.«
»Herr Schulze hat recht«, sagte Kesselhuth. »Ohne Spaß gibt’s nichts zu lachen!«
Plötzlich spielte die Kapelle einen Tusch. Herr Heltai, Professor der Tanzkunst und Arrangeur von Kostümfesten, trat aufs Parkett, klatschte in die Hände und rief: »Damenwahl, meine Herrschaften!«
Er wiederholte die Ankündigung noch in englischer und französischer Sprache. Die Gäste lachten. Mehrere Damen erhoben sich. Auch Frau Casparius. Sie steuerte auf Hagedorn los. Frau von Mallebré wurde blaß und engagierte, verzerrt lächelnd, den Baron.
»Nun aber ran an den Speck!« befahl Schulze. Frau Casparius machte einen
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