Drei ohne Punkt und Komma - Mathilda, Mathilda! ; [2]
nicht mehr aus dem Kopf ging. »Wie viele Freundinnen darf ich noch mal mitbringen?«
Eine Horde Jungs
W AS hat mein Bruder gesagt?«, fragte Linn ein paar Tage später, als wir zu dritt in ihrem Dachzimmer in Krähwinkel saßen. Sie sah mich ungläubig an und hörte auf, sich auf ihrem Schreibtischstuhl um die eigene Achse zu drehen.
»Wenn Mats fragt, wie viele Freundinnen er zur Halloweenparty mitbringen darf, ist das nichts als Angeberei«, meinte Philippa schulterzuckend. »Glaubt mir, das sehe ich bei meinen Ponys ständig. Aber jetzt erzähl mal, Mathilda, was ist mit deinen Eltern los?«
Ich ließ mich auf Linns Bett fallen, das ganz gemütlich unter einer Dachschräge steht, und blickte in den Baldachin, den Linn aus einem zarten Stoff darübergespannt hat. »Es reicht nicht, dass meine Mutter in letzter Zeit so verträumt ist«, sagte ich leise und tat mir selbst leid. »Jetzt geht mein Vater beruflich ans andere Ende der Welt, nach Hongkong. Ach, warum kann ich nicht ganz normale Eltern haben, so wie ihr?«
Linn sprang von ihrem Schreibtischstuhl und ließ sich neben mich auf das Bett fallen. »Hey, weil es garantiert keine ganz normalen Eltern gibt. Deshalb!« Sie stupste mich aufmunternd an. »Das kannst du mir glauben, Mathilda!«
Von der breiten Fensterbank aus meldete sich Philippa. »Stimmt genau. Normal gibt’s nicht.«
Ich blickte erst Philippa, dann Linn neben mir verwundert an. »Moment mal, bei euch ist doch alles normal. Eure Eltern, die sind noch miteinander verheiratet und …
Philippa fiel mir ins Wort, »… meine Eltern setzen immer voraus, dass ich alles so gut wie meine großen Geschwister schaffe. Oft wünschte ich mir, Justus und Katharina hätten ein richtig schlechtes Abi gemacht. Dann hätte ich es etwas leichter! Aber den Gefallen haben sie mir leider nicht getan.«
Linn seufzte. »Meine Eltern sind auch alles andere als normal. Glaubt mir!«
Philippa sprang von der Fensterbank und setzte sich ans Fußende von Linns Bett. »Stimmt, eure Eltern hören voll die coole Musik und gehen sogar noch auf Konzerte. So etwas würden meine nie im Leben tun.«
»Nicht mehr lange«, Linn lag da ganz still und blickte in den Himmel über ihrem Bett.
»Wieso das?«, fragte Philippa verwundert. »Das verstehe ich nicht.«
Aber ich ahnte bereits, woran das lag. Linns Wangen wurden leicht rot. »Das liegt daran, dass meine Mutter im nächsten April ein Baby bekommt.«
Philippa war darüber ganz aus dem Häuschen. »Oh, wie süß«, rief sie, »das Baby hat bestimmt auch dunkelrote Haare, so wie ihr alle und …«
»Ja, und mit dem Baby wird bei uns mal wieder alles anders!« Linn sprang aus dem Bett und lief aufgebracht im Zimmer auf und ab. »Demnächst wird bei uns mal wieder ein weiteres Kinderzimmer ausgebaut, was bedeutet, dass an den Samstagen von morgens früh bis abends spät gehämmert und gearbeitet wird. Da kann ich Ewigkeiten nicht mehr ausschlafen. Wenn das Baby da ist, wird Mama es ständig am Hals haben und …« Linn blieb stehen und holte Luft. »Sagt mir, welche normale Familie hat schon fünf Kinder? Könnt ihr mir eine einzige nennen?«
Mir fielen nur die Waltons ein, die hatten zwar sieben oder acht Kinder, zählen aber nicht wirklich, weil es nur eine uralte Fernsehserie ist. Mama hat davon eine DVD .
»Ähm, nein«, sagte Philippa vom Fußende des Bettes. »Aber wenn zu einer Familie fünf Kinder passen, dann zu euch. Deine Eltern haben das irgendwie alles so locker im Griff.«
»Locker im Griff?«, japste Linn. »Dann seht euch mal etwas an. Los, kommt mit!« Zu dritt liefen wir hinunter in die Küche, wo Linn eine Schranktür aufriss. An der Innenseite hing eine Tabelle, so richtig perfekt im Computer erstellt. In unterschiedlichen Farben standen darin sechs Namen, viele verschiedene Symbole und die Aufgaben, die jeder wann im Haushalt erledigen musste.
»Seht ihr das?«, rief Linn und deutete auf ein Symbol. »Dieses logistische Meisterwerk legt sogar meine Badzeiten genauestens fest!«
Philippa und ich nickten stumm, während Linn zischte: »Findet ihr es normal, dass bei uns sogar per Plan geregelt wird, wer wann das Klopapier nachfüllen muss?«
Wir schüttelten den Kopf. Linn knallte den Küchenschrank zu. »Es ist nicht normal, einen Vater mit Organisationstick zu haben, der Mathelehrer ist.« Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl sacken. »Und dazu eine Mutter, die Deutschlehrerin ist und sogar Rechtschreibfehler auf den Einkaufszetteln
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