Drei Seiten für ein Exposé
(Verspotten, Freundschaft mit Hunden), die nicht ganz so harmlos sind, weil sie Folgen haben (Entdeckung eines Betrugs). Dann die wirklich bedrohlichen Szenen (Treibjagd).
Denken Sie daran, ein Spannungsbogen sollte sich langsam steigern und einer inneren Logik folgen. Und das, was im Exposé steht, sollte in dieser Reihenfolge dort stehen, damit der Spannungsbogen erkennbar ist.
Dieser Spannungsbogen diktiert auch, was Sie im Exposé weglassen können und was nicht. Was die Spannung steigert, dem Exposé einen roten Faden verleiht, gehört hinein. Alles andere nicht, auch wenn es im Text noch so wichtig ist. Nicht selten, dass gerade die Szenen, die Ihnen ans Herz gewachsen sind, im Exposé nicht auftauchen.
Dass die Zähne der Hündin Tonci Mut und Kraft verleihen, ist nicht nötig, um die Geschichte zu verstehen. Deshalb könnten Sie es streichen.
Und was fehlt in diesem Exposé? Die Tyrannei.
Hier wird geschildert, dass Jure für Tonci, den Protagonisten, eine Gefahr darstellt. Gut.
Aber am Anfang erfahren wir, dass Jure auch das übrige Dorf tyrannisiert. Wie macht er das? Was tut er? Treibt er Schutzgelder ein? Zwingt er die Dorfbewohner, ihn immer aufs neue zum Bürgermeister zu wählen? Verjagt er Gegenkandidaten, hat sogar schon mal einen erschossen? Was immer es war, es gehört an den Anfang.
Damit würde ich beginnen, nicht mit den Hunden, die für die Dörfler die geringere Gefahr darstellen dürften.
Bauer Jure hat das kleine Dorf Selo an der Adriaküste fest im Griff. Viermal haben ihn die Bauern zum Bürgermeister gewählt, obwohl sie ihm und seiner Mafia Schutzgelder zahlen müssen
.
Ein solcher Satz reicht. Er zeigt uns den Antagonisten anschaulicher als Behauptungen wie:
Bauer Jure, der alle Bauern tyrannisiert
und ist trotzdem kaum länger.
Exposés sollten kurz sein, richtig. Aber sie sollten, wie gesagt, auch anschaulich sein. Lieber nur ein paar wenige Höhepunkte, die aber anschaulich, als eine abstrakte Liste der Ereignisse.
Das Gleiche gilt auch für das Ende.
Gemeinsam stellen sie sich gegen ihren Vater und ihren Bruder und befreien das Dorf von ihrer Tyrannei
, sagt uns sehr wenig.
Wie genau passiert die Befreiung? Können die beiden Jugendlichen Beweise finden, die in der Kreisstadt die Polizei endlich zum Handeln zwingt und Jure ins Gefängnis bringt? Haben die Kinder einen neuen Tierarzt in der Kreisstadt entdeckt, der nicht bestechlich ist und den sie zu Jures Herde bringen können? Genau in dem Moment bricht die Treibjagd über sie herein; sie können mit knapper Not den Kugeln entkommen, aber jetzt haben sie mit dem Tierarzt endlich einen erwachsenen Zeugen für Jures Machenschaften, der die Herde beschlagnahmen und untersuchen lässt?
Was auch immer, das sollte uns hier am Schluss einen oder zwei konkrete Sätze wert sein.
Übung
Haben Sie noch das Buch aus den anderen Übungen? Wenn Sie möchten, können Sie natürlich auch ein anderes nehmen, das Sie gelesen haben.
Formulieren Sie die Abfolge der Ereignisse so, wie ich es für Wolfsseele getan habe.
Steigern sich die Ereignisse im Buch?
Ändern Sie einmal die Reihenfolge, die Sie formuliert haben. Tauschen Sie einzelne Ereignisse gegeneinander aus. Was müssen Sie dann noch ändern, damit das möglich wird?
Legen Sie die geänderte und die ursprüngliche Fassung nebeneinander. Welche gefällt Ihnen besser?
Formulieren Sie schriftlich, was Ihnen besser gefällt und (ganz wichtig!) warum.
Deus ex Machina
Manche Lösungen in Exposés klingen sehr willkürlich. Dass Valcrish Vaylon im Exposé „Die Nacht der Jägerin“ gerade noch rechtzeitig findet, um ihn vor Jägern zu retten und die Jäger dann auch noch die Wegbeschreibung zum Bösen liefern, gehört dazu.
Romane unterscheiden sich vom wirklichen Leben dadurch, dass in Romanen alles einen Sinn haben muss, hat ein berühmter Schriftsteller gesagt – und das gilt auch für Exposés. Sie können bei unwichtigeren Dingen einfach etwas statuieren, bei den wichtigen Eckpunkten aber muss eine Logik erkennbar sein.
Beispiel: Valentin im Regenbogenland
Valentin ist ein Junge von gerade elf Jahren und liebt den Schnee
.
Eines Abends lauscht er hinter der Tür und erfährt von seinem Vater, dem Finanzminister von Rotamunde, dass der König mit seiner Kutsche und den fliegenden Pferden zur Schneeprinzessin fahren will, die hoch in den Wolken in einem wunderschönen Schneeschloss wohnt. König Felix hasst den Schnee und hat etwas erfunden, damit es nicht mehr schneit
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