Drei sind einer zuviel
Zwicknagel: »Wem müssen wir
denn hier kondolieren?«
»Die meisten Leidtragenden sind schon heim — bis
auf den Finkenzeller, was der Schwager vom Verblichenen ist.« Laut rief er:
»Hörst, Toni —! Der Herr Lehrer und seine Freunde möchten dir ihr Beileid
sagen.«
Im Nu erstarb das Gelächter. Finkenzeller stand
mit Leichenbittermiene auf und ließ sich von Peter, Karlchen und Benedikt die
Hand schütteln.
»Danke. Danke. — Dank«, sagte er mit Rührung in
der Stimme. »Ja, das war ein schwerer Schlag. Und so plötzlich. — Setzen S’
Eahna zu uns. Die Resi bringt was zum Trinken. — Resi!« Und nach einer
angemessenen Gedenkpause wandte er sich an Benedikt: »Sie sind doch der
Architekt aus Berlin? — Geh, Xaver«, stieß er seinen Nachbarn an, »laß den
Herrn Kreuzer neben mir sitzen.«
Der mit Xaver Angesprochene rückte mit seinem
Bier etwas beiseite und machte Benedikt Platz. Karlchen war am anderen Ende des
Tisches untergekommen.
Finkenzeller schob Benedikt eines von den Bieren
hin, die Resi auf den Tisch gestellt hatte. »Ich habe gehört, Sie nehmen am
Wettbewerb für unsere neue Schule teil. Ich bin im Stadtrat und von Anfang an
mit dem Projekt vertraut. Meine Kollegen und ich waren eigentlich gegen einen
Wettbewerb. Aber es ist natürlich demokratischer. Ansonsten halte ich mich da
heraus. Ich bin Bauunternehmer und als solcher Mitbewerber um den Auftrag. Da
muß man schließlich die Privatinteressen streng von seinen kommunalen Aufgaben
trennen.«
»Ja, natürlich«, nickte Benedikt, eine Nuance zu
gläubig.
»Haben Sie schon mal an einer öffentlichen
Ausschreibung teilgenommen?«
»In Berlin. Wir haben in Moabit einen
Kindergarten gebaut. War ’ne schöne Aufgabe.«
»Und
warum sind Sie nicht in Berlin geblieben?«
»Unser
Büro ist aufgelöst worden.«
»Wegen
der Rezession?«
»Ja.
Es gab nicht mehr genug Aufträge.«
Während
Benedikt sich von Finkenzeller ausfragen ließ, hörte sich Peter Herrn
Zwicknagels »einzig wahres Rezept für eine wirksame Erziehung« an.
»Sie, da gibt’s kein langes Federlesen nicht,
keine neumodischen Antiautoritäten, da gibt’s bloß eins — eine Watschen locker
aus dem Handgelenk. Das schadet keinem und unsern Buben erst recht nicht.
Prost, Herr Melchior!«
Peter riß das Maul auf wie ein Karpfen und sah
dann ein, daß es keinen Sinn hatte, gegen zirka sieben Maß Bier
anzudiskutieren. Er beschloß, das Streitgefecht mit Herrn Zwicknagel über
Erziehungsmethoden auf einen nüchterneren Wirtshausabend zu verschieben. Und
klappte seinen Mund wieder zu.
Sein Blick suchte Karlchen am Ende der langen
Tafel, Karlchen zwischen Frau Zwicknagel und Frau Hiebler in ein Verhör
eingeklemmt und dementsprechend unbehaglich mit feuchten Bierfilzen spielend.
»Also rein zufällig war das, wie sie die beiden
haben kennengelernt. Den Herrn Lehrer in München und den Herrn Kreuzer wo?«
»Hier
in der Gaststube.«
»Gehn
S’!«
»Und
nun sind Sie mit beiden befreundet?«
»Ja.«
»Und kommen immer auf Besuch! Auch über Nacht?«
»Ja, freilich, wenn ich’s einrichten kann.«
Ihre Verhörerinnen tauschten ein vielsagendes
Kopfnicken.
Karlchen sandte einen hilfesuchenden Blick zu
Peter.
»Und dann haben Sie ja noch den älteren Herrn«,
sagte Frau Hiebler.
Karlchen hielt lange still, aber was zuviel war,
war eben zuviel.
»Sie —!! Das ist eine Gemeinheit! Ich habe
keinen älteren Herrn!«
»Aber es sitzt doch immer einer neben Ihnen im
Auto«, beharrte Frau Hiebler.
»Ach so — der.« An Herrn Müller-Mallersdorf
hatte sie nicht gedacht. »Der ist eine Schaufensterpuppe. Aus Berlin.«
»Ja, da schau her, aus Berlin«, staunte Frau
Hiebler.
»Ja«, sagte Karlchen, »ein Preuße.«
In diesem Augenblick wurde sie von Peter erlöst.
Er beugte sich über ihren Stuhl. »Wollen wir fahren?«
»Au ja.« Sie erhob sich erleichtert. »Sag Benny
Bescheid.«
Während er zu ihm ging, verabschiedete sich
Karlchen von den Damen Hiebler und Zwicknagel. Sie wollte draußen auf die
beiden Männer warten, aber in der Saaltür stieß sie mit zwei reschen, großen,
in flottes Schwarz gekleideten Mädchen zusammen. Solche Attraktionen hatte sie
bisher noch nie in Nebel gesehen.
Karlchen dachte hoppla, einfach hoppla mit einem
wachsamen touch, und kehrte in den Saal zurück.
Die beiden waren die Finkenzellertöchter, von
ihrer Mutter ausgeschickt, den Papa heimzuholen. Der stellte ihnen Benedikt
Kreuzer vor und dieser ihnen wiederum seinen Freund
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