Drei sind einer zuviel
allem nicht bei meinen traurigen Umsätzen. Ich war viel zu oft bei
euch.« Sie schaute sich seufzend um. »Ich war so gerne hier. Irgendwie hänge
ich an dem Schuppen.«
»Tu nicht so, als ob du für immer gehst«, schob Benedikt
die Abschiedsstimmung beiseite. »Wetten, spätestens in zwei Wochen bist du
wieder hier. Du hältst es doch gar nicht aus ohne uns.« Karlchen erinnerte sich
an ihre Muster, die sie noch im Kombi mitführte. »Ich lass’ sie euch hier.
Geschirr könnt ihr gar nicht genug haben, wo ihr immer alles zerdeppert.«
Geschirr konnten sie wirklich gebrauchen — aber
gleich vier Zuckerdosen?
»Na ja, für Reißnägel und Gummibänder und so was
sind sie ganz praktisch.«
Danach verstauten sie Müller-Mallersdorf und
ihren Koffer. Zu dritt gingen sie noch einmal über den Hof. Karlchens Augen und
ihre Nase nahmen gründlich Abschied.
»Für mich ist es der schönste Ort von der Welt.
Es war alles so leicht zu ertragen, wenn ich wußte, ich darf hierher zurück.«
»Karlchen! Wenn du so redest, kommen mir die
Tränen.« Peter zog sie an seine Schulter. Sie hielt gern still.
Dann war Benedikt an der Reihe. Ihm legte sie
die Arme um den Hals. »Aber vielleicht hat es so sollen sein. Ich gehe und die
Finkenzellerinnen kommen.«
»Die beiden sind Karlchens Trauma. Dabei haben
wir sie nicht wiedergesehen. Wir haben nicht mal an sie gedacht, nicht wahr,
Peter?«
»Nö — nie.«
»Ich muß mich noch von den Hühnern
verabschieden.« Aber die Hühner waren nirgends zu finden. »Schreibt ab und zu,
ja? Macht mal ein Foto vom Hof — und toi, toi, toi für deinen Schulentwurf,
Benny. Ich will unbedingt wissen, was draus wird.«
Sie gingen noch ein Stück neben dem Wagen her
und winkten, und es war beiden plümeranter zumute, als sie voreinander Zugaben.
»Bißchen plötzlich, das Ganze«, sagte Benedikt.
»Schon sehr plötzlich. Schließlich hat man sich an sie gewöhnt.« Peter stieß
einen Stein vor sich her. »Was muß sich die dumme Kuh den Arm verknacksen. Und
wennschon, konnte sie damit nicht bis Montag warten? Was wird denn jetzt aus
un-serm Wochenende!«
Als sie zum Haus zurückgingen, bogen die Hühner
gackernd um die Ecke.
»Sie läßt euch noch grüßen«, sagte Benedikt zu
ihnen.
Es folgte ein unwirscher Nachmittag — Peter
korrigierte Aufsätze, Benedikt reparierte einen Schemel. Sein Hämmern und der
Qualm seiner Zigaretten gingen Peter auf die Nerven.
Er riß das Fenster auf und hielt den Kopf in die
Abendluft.
Es war absolut still draußen. Nicht mal ein Hund
bellte in der Ferne.
Karlchen würde nicht mehr kommen. Im Herbst ging
Benedikt nach Berlin zurück. Wenn er bis dahin den Hof nicht verkauft hatte,
würde Peter allein hier hausen. »Nein, ich denke ja gar nicht daran — bei dem vielen
Schnee. Bin ich verrückt und schippe den halben Tag?« schimpfte es aus ihm
heraus.
Benedikt sah verstört hoch und in den hellgrünen
Frühling vorm Fenster. »Wieso Schnee?« begriff er nicht. »Wie kommst ’n du auf
Schnee?«
»Ach, laß mich in Ruh«, brummte Peter und kehrte
zu den Aufsätzen zurück.
8
Sonntagmorgen nach dem Frühstück. Sonnenschein —
jedenfalls schien die Sonne so lange, wie Benedikt und Peter sich auszogen,
einölten und mit dem Aufstellen des einzigen, klapprigen Liegestuhls
beschäftigt waren.
Danach
schob sich eine schwarze Wolke zwischen bräunende Strahlen und bläßliche
Winterhaut. »Tüüüpüsch!«
»Wir müßten dringend die Wände weißeln...«
»Ja — «
»...und das Klo auch.«
»Ja doch.«
»...aber nicht heute.«
»Nein.«
»Glaubst du, die Sonne kommt noch mal raus?«
»Da hinten sieht es hell aus.«
Längeres Schweigen, in dem Benedikt mit der
Zeitung raschelte.
Peter blinzelte zu ihm hinüber. »Das ist heute
schon deine fünfte.«
Benedikt haßte es, wenn er ihm seine Zigaretten
vorzählte. »Wenn du schon meine Zahnpasta nimmst, dann mach sie wenigstens
hinterher wieder zu«, giftete er zurück.
»Christl Schäfer ist noch schlimmer dran als
wir«, sagte Peter. »Wir können uns wenigstens gegenseitig anöden. Sie hat dafür
nur sich selber. — Voriges Wochenende war der einzige Mensch, mit dem sie
gesprochen hat, die Billettverkäuferin im Kino.«
»Hat sie keinen Freund?«
»Es gefällt ihr hier keiner — außer mir.«
Benedikt betrachtete ihn von der Seite. »Sie tut
mir leid.«
»Nettes Mädchen, aber anstrengend.« Peter hatte
einen Holzsplitter von der Bank abgemacht und reinigte sich damit die
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