Drei Tage voller Leidenschaft
seinen älteren Vetter nämlich so sehr, daß es fast an Anbetung grenzte.
Nikki war jedoch nicht beleidigt, weil er stets bereit war, seinen jüngeren Vetter nachsichtig zu behandeln, aber er meinte leise und nachdenklich: »Ihr jungen Leute sehnt euch nach klaren Farben, nach Sicherheit und nach absoluten Antworten auf die ›verfluchten Fragen des Lebens‹. Wenn du älter bist, wirst du herausfinden, daß das Absolute manchmal nicht zu erreichen ist. Es entzieht sich auch der optimistischsten Entschiedenheit. Mach dir mal um Tanja keine Sorgen, denn ich lasse ihr nichts Böses zustoßen.« Damit seufzte Nikki insgeheim und staunte über die frische Naivität und Vitalität seines jungen Vetters. War er selbst jemals so jung gewesen? Er kannte die ernüchternde Antwort auf diese Frage und versuchte, seine Depression abzuschütteln, die dieses Nachdenken über seine vergangenen faulen, weltmüden Jahre immer begleitete.
Nikki hatte es noch nie fertiggebracht, sich mit moralischen Fragen um Gut oder Böse zu beschäftigen. Schon sehr früh hatten ihn Zweifel geplagt. Er sah alle Menschen in der grellen Nacktheit ihrer Schwächen.
Man konnte zumindest teilweise seine ausgezeichnete Erziehung dafür verantwortlich machen, daß er stets die nüchterne Realität erkannte. Die lange und unterschiedliche Reihe von Gelehrten, die man nach La Repose gelockt hatte, um dem einzigen und geliebten Kind und Erben dort die Früchte ihres Wissens einzuflößen, hatten in dem Verstand des frühreifen jungen Prinzen einen fruchtbaren und bereiten Boden gefunden. Der ungeheure Wissensschatz über vergangene Zivilisationen, den er schon in jungen Jahren verarbeitet hatte, hatte aber seine schädliche Neigung nur bestärkt, alle vergeblichen Anstrengungen einer jeden Generation nur als schmähliche menschliche Mühen im allgemeinen Plan der Dinge zu betrachten.
Dieser Mangel an Illusionen machte Nikki manchmal hilflos, wenn nicht sogar zynisch und melancholisch. Oft versuchte er, seine Anfälle von Depressionen durch trunkene, geistlose Orgien der Lust zu vertreiben. Wochenlange Fluchtversuche in betrunkenem Wahnsinn betäubten zwar kurzfristig den Wurm der Unzufriedenheit. Aber diese Unzufriedenheit wurde nie erklärt und durch die hektischen Aktivitäten, die Flaschen Wein, die Berührungen einer Frau nur besänftigt oder unterdrückt. Diese morbiden Gedanken unterbrach Iljitsch mit seiner üblichen jovialen Freundlichkeit.
»Sei beruhigt Aleksej, ich werde mich um die schöne Tanja schon angemessen kümmern«, beschwichtigte er den Jungen.
»Wenn sie sich nicht zuallererst um dich kümmert«, setzte Nikki sarkastisch und mit einer spöttisch hochgezogenen Braue hinzu. »Ich hoffe, du kannst es dir leisten, sie zu besteigen. Sie ist wie alle Frauen nie zufriedenzustellen. Aber im Gegensatz zu der verzehrenden Gräfin Amalienborg ist der Preis für Tanjas Vergnügen gering«, bemerkte er weiter, sich an Sophies unersättliche Ansprüche an Pelze und Schmuck erinnernd.
»Gibt es in deiner schwarzen Seele eigentlich überhaupt keine Romantik?« wollte Tschernow wissen.
»Nur sehr wenig«, erwiderte Nikki trocken. Sein Zynismus war aus Desillusionen geboren, aus dem ständigen Kampf, seine immer stärker werdende Melancholie in Schach zu halten. »Die meisten Frauen in meiner verachtenswerten und buntgescheckten Erfahrung sind letztendlich unendlich stärker an meinem beträchtlichen Vermögen als an meinen romantischen Neigungen interessiert. Und ob reich oder arm, jung oder alt, sie sind alle willig – viel zu willig. Ich hure schon seit Jahren in diesem Land herum und habe auch meinen Teil an den Ausschweifungen genossen, die Europa zu bieten hat, aber ich habe noch keine Frau entdeckt, die anders ist. Sie sind alle nachgiebig, willig, alle entzückend, aber unvermeidlich alle sterbenslangweilig.« Für Nikki war jede dieser Affären gleich tödlich identisch. Sie begannen vielversprechend und wurden dann genauso monoton wie die letzte.
»Das tägliche Leben ist so unendlich stumpfsinnig. Ich denke manchmal, das Leben eines Asketen wäre eine nette Abwechslung von dieser Routine«, beklagte sich Nikki.
Tschernow schnalzte mitfühlend mit der Zunge und lachte. »Mir blutet das Herz, wenn ich dich so höre, Nikki. Wenn du das tust, läßt du aber manche unglückliche und unerfüllte Frau in Petersburg zurück. Man redet doch davon, daß du dem Duc de Richelieu in den Boudoirs Konkurrenz machst und dem Kurfürsten von Sachsen
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