Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)
sind alle Dschinn dazu angehalten, die drei Wünsche innerhalb von drei Tagen zu gewähren – »drei in drei«. Ich habe diese Frist bisher nie überzogen, aber dies ist der dritte Tag, und es ist kein Wunsch in Sichtweite. Das tiefe, Übelkeit erregende Gefühl des Alterns ist nicht mehr so stark, wie es schon mal war, trotzdem kann ich noch immer spüren, wie die Sekunden verstreichen, und ich sehe nach wie vor, wie Lawrence sich vor meinen Augen verändert. Ich frage mich, was in Caliban passiert ist, seit ich es verlassen habe. Nicht allzu viel wahrscheinlich – Caliban hat im Grunde etwas von einer reibungslos laufenden Maschine. Sehr wenige Überraschungen, dafür sorgen schon die Ältesten.
»Dschinn?«, flüstert Lawrence scharf, und mir geht plötzlich auf, dass er seit etwa einer Minute auf mich eingeredet hat. Die Erinnerungen an Caliban verblassen, und ich stemme mich auf das Terrassengeländer hoch. Dschinn. Er betrachtet das als meinen Namen, genau wie Viola es tut.
»Entschuldigung. Ich hab vergessen, dass du mich sehen kannst«, sage ich.
»Kein Problem. Du hast nur seit einer halben Stunde kein einziges Wort mehr gesagt.«
»So lange?« Wow. Ich verliere wirklich allmählich den Überblick. »Wie lange wird das hier noch dauern?«, frage ich.
»Ein paar Stunden. Gerade lange genug, dass sie merkt, dass Bierpartys eigentlich nicht ihr Ding sind. Hoffe ich jedenfalls.«
»Du gehst hin«, merke ich an. »Dein Ding sind sie also?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich meine, ich habe nichts dagegen. Am Anfang war es cool, eingeladen zu werden und dabei zu sein und all das. Inzwischen ist es einfach …«, er zuckt die Achseln. »Vi…, das hier ist kein Ort für sie. Das heißt jetzt nicht, dass ich mir nicht für sie wünschte, sie könnte sich wieder zugehörig fühlen. Ich tu’s, und ich würde ihr auch gern helfen. Ich möchte bloß nicht, dass sie’s auf diese Art probiert. Ich habe versucht, ihr zu sagen, dass sie nicht unsichtbar ist, dass sie zu allem und jedem gehören kann, zu dem sie gehören will. Aber nachdem ich sie so verletzt habe, habe ich nicht das Recht, sie von irgendwas abzuhalten, das sie in der Hoffnung tut, wieder glücklich zu sein.«
Na endlich. Von Lawrence kommt ein Wunsch. In der ganzen Zeit, die ich in seiner Nähe verbracht habe, hat er keinen einzigen Wunsch verspürt – was für einen Sterblichen ungewöhnlich ist. Aber jetzt kann ich den Wunsch in aller Deutlichkeit in dem Blick lesen, der über den Boden gleitet: den Wunsch, dem Bedauern entkommen zu können.
»Was ist eigentlich passiert zwischen euch beiden?«, erkundige ich mich.
»Derjenige, der ihr Wünsche erfüllen kann, sollte wahrscheinlich Bescheid wissen«, sagt Lawrence mit einem gezwungenen Lächeln. Ein paar von den klatschenden Mädchen sehen inzwischen zu ihm herüber, die aufgemalten Augenbrauen hochgezogen – allem Anschein nach führt er Selbstgespräche.
»Übe meinen Text für ein Theaterstück«, erklärt Lawrence rasch.
Die Mädchen sehen etwas zweifelnd aus, lassen es ihm aber durchgehen.
Lawrence seufzt und beginnt: »Viola war meine beste Freundin, als wir Kinder waren. Im ersten Jahr an der Junior High haben wir dann beschlossen, mal auszuprobieren, was draus wird, wenn wir miteinander gehen. Es war fantastisch und ziemlich merkwürdig zugleich, weil wir miteinander schon so vertraut waren, weißt du? Es ist uns einfach normal vorgekommen, dass wir beieinander gelandet sind, so wie es besten Freunden in romantischen Filmen immer passiert.
Ich habe Viola wirklich geliebt, aber mir ist allmählich aufgegangen, dass ich sie auf eine andere Art geliebt habe als sie mich. Es war die Vertrautheit, die ich geliebt habe, dass sie da war und ich mit ihr reden konnte, dass ich jemanden hatte, der mich verstanden hat und den ich verstanden habe. Eine Freundin. Eines Abends hat Viola mir dann gesagt, dass sie mich liebt. Wir haben uns geküsst, und ich habe gewusst, dieses Mal wird es sehr viel weiter gehen als nur bis zum Küssen.«
»Aber du bist doch …«, beginne ich.
»… schwul. Stimmt. Bin ich. Und das habe ich ihr etwa zu dem Zeitpunkt mitgeteilt, als sie sich gerade das T-Shirt ausgezogen hat«, fügt Lawrence mit einer Grimasse hinzu. Er beginnt an den Blättern der Kübelpflanze neben uns herumzuzupfen.
»Perfektes Timing.«
Lawrence nickt. »Um ehrlich zu sein, ich habe nicht mal mit Sicherheit gewusst, dass ich schwul bin, bevor wir fast ein Jahr lang zusammen waren.
Weitere Kostenlose Bücher