Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)
hinter einem her und reden davon, dass wir Caliban neu bevölkern sollen und so weiter. Wenn du mal echte Sexgespräche hören willst …«
Viola lacht, und obwohl ich ihr Gesicht nicht erkennen kann, weiß ich, dass es in der Dunkelheit aufleuchtet. »Neu bevölkern? Moment mal, du hast gesagt, es gibt nur ein paar tausend Dschinn, stimmt’s?«
»Mehr oder weniger, nehme ich an.«
»Warum so wenige?«
Ich reibe die Hände sekundenlang über die Armlehnen des Sessels und spüre dem Gekräusel des Bezugsstoffs unter den Fingern nach. »Na ja, wenn man den Ältesten glauben will, gehört das alles zu unserer Strafe.«
»Strafe?«
Meine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, und ich kann nun gerade so den Umriss ihrer Gestalt erkennen. Sie sitzt aufrecht im Bett, die Arme um die angezogenen Knie gelegt.
»Das ist eine alte Geschichte, ein bisschen wie eure eigenen Schöpfungsgeschichten. Der Mythos besagt, dass Dschinn und Menschen vor langer Zeit zusammen hier auf der Erde gelebt haben. Die Dschinn besaßen magische Kräfte, aber statt sie zum Besten aller einzusetzen – Menschen und Dschinn –, haben sie sie benutzt, um sich zu bereichern und Macht zu gewinnen, selbstsüchtiges Zeug eben. Zur Strafe wurden die Dschinn dann zu Dienern der Menschen und ihrer Wünsche gemacht und nach Caliban verbannt.«
»Es hört sich nicht an, als ob die Verbannung dorthin eine besonders grässliche Strafe wäre.«
»Den Teil hab ich ehrlich gesagt auch nie ganz verstanden. Aber man muss bedenken, das Ganze ist einfach nur ein Mythos. Sicher ist bloß: Je mehr die Bevölkerung hier wächst, desto mehr Leute haben Wünsche. Irgendwann hat es einfach zu viele Menschen mit Wünschen gegeben, als dass die Dschinn noch hätten mithalten können. Also hat nicht mehr jeder seine Wünsche erfüllt bekommen, und die Ältesten haben jedes Mal nur ein paar hundert Leute ausgesucht. Ich glaube, sie versuchen die zugestandenen Wünsche ein bisschen zu verteilen, damit es nicht zu viele Leute in ein und derselben Gegend gibt, die plötzlich im Lotto gewinnen oder Rockstars werden. Aber je öfter wir gerufen werden, desto öfter sind wir hier. Je öfter wir hier sind, desto mehr altern wir. Und je mehr wir altern …«
»Desto öfter werdet ihr irgendwann richtig alt und sterbt«, vollendet Viola den Satz für mich.
»Genau«, sage ich, beuge mich vor und stütze die Ellenbogen auf die Knie. »Wenn man jetzt noch bedenkt, dass wir uns nicht auf die Art zusammenfinden, wie Menschen es tun, dann ist das nicht gerade ein Rezept für eine blühende Bevölkerungsentwicklung. Deswegen gibt es die vielen Protokolle, die Vorschriften, all diese leicht verzweifelten Versuche, unsere Anzahl zu erhöhen. Die Ältesten wollen, dass wir losgehen, schleunigst zurückkommen und unser normales Leben weiterleben. Sie sorgen dafür, dass unsere Herren uns vergessen, damit ja nicht die Gefahr besteht, dass sie anderen Menschen von uns erzählen und davon, dass man uns beschwören kann. Sie haben Angst, dass wir aussterben werden.«
»Ich will nicht, dass du stirbst«, sagt Viola sehr leise.
Mein Kopf fährt hoch. »Nein, nein. Mach dir keine Sorgen deswegen«, murmele ich ebenso leise, als fürchtete ich, dass die Ältesten mich von Caliban aus hören könnten.
»Ich werde mir etwas wünschen, wenn du es möchtest. Wirklich.«
»Ich hab doch gesagt, nein. Es sind deine Wünsche.«
»In Ordnung.« Viola seufzt. »Na ja, lass es mich wissen, wenn du … wenn du es dir anders überlegst. Dass ich mir sofort etwas wünschen soll, meine ich.«
»Okay.«
Dabei weiß ich jetzt schon, dass ich es nicht tun werde.
13
Viola
I ch knurre und schlage nach dem Wecker. Egal, wie oft ich schon zu spät zur Schule gekommen bin, weil ich auf die Schlummertaste gedrückt habe, ich weiß genau, das werde ich mir nie abgewöhnen können. Der Popsong, der aus dem winzigen Lautsprecher dröhnt, verstummt abrupt, und ich schicke mich an, für genau sieben Minuten wieder einzuschlafen. Da zerreißt ein leises Lachen die Stille.
Dschinn. Ich fahre kerzengerade im Bett hoch und drücke mir die Decken an die Brust. Er sitzt mit verschränkten Armen im Sessel, die Beine über eine Armlehne gehängt.
»Du bist dageblieben«, sage ich und versuche mir die Überraschung nicht anmerken zu lassen.
»Du misshandelst den Wecker«, antwortet er.
»Gewissermaßen«, gebe ich zu und versuche das wirre Nest glattzustreichen, zu dem mein Haar geworden ist. »Bist du zu dem
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