Drei Wünsche hast du frei: Roman (German Edition)
Ifrit zu werden«, murmele ich. Ich gehe vor der Eiche auf und ab, während der Ifrit mit verschränkten Armen gelassen an ihrem Stamm lehnt. In Caliban gibt es keine Angst. In Caliban würde ich mich nicht so fühlen.
Eifersucht.
Es gibt ganz entschieden keine Eifersucht in Caliban.
»Du musst zusehen, dass du nach Hause kommst, mein Freund. Du glaubst jetzt, das hier wäre es, worauf es ankommt, in Wirklichkeit kommt es aber aufs Nachhausegehen an, auf deine eigenen Leute. Sieh mich an – sieh dir an, wie sehr ich hier gealtert bin! Wir waren mal gleich alt, weißt du noch? Das hier ist nicht das, was du willst – als Sterblicher zu enden.«
Mich zu verändern. Zu altern. In jeder Sekunde anders zu sein. Wie Viola zu sein. Die Vorstellung, die für mich mit der Zeit zu etwas Schönem, etwas Wünschenswertem geworden ist, wird innerhalb einer Sekunde wieder hässlich und beängstigend. Was ist nur aus mir geworden, dass ich mich danach habe sehnen können, zu altern? Dass ich mich zerrissen fühle wegen irgend so einem Mädchen? Das ist nicht das, was ich bin. Wer ich bin. Ich bin ein Dschinn. Ein Dschinn, nicht Dschinn . Ich habe keinen Namen und auch keine persönlichen Beziehungen – ganz gleich, was ich mir inzwischen einbilde. Wie viele Momente meines Lebens sind für immer verloren wegen dieser Geschichte hier?
»Sieh mal«, sagt der Ifrit. Er macht ein paar Schritte nach vorn und legt mir eine Hand – die Hand eines erwachsenen Mannes, nicht die eines Jungen – auf die Schulter. »Du hast alle drei Vorschriften inzwischen ungefähr hundert Mal gebrochen, und die Ältesten sind schon wütend genug deswegen. Außerdem hast du ganze fünf Tage deines Lebens verloren. Sieh dich doch nur mal an – du bist total durcheinander, weil du angefangen hast, dir etwas aus einem Mädchen zu machen, das deine Herrin ist. Deine Herrin – nicht deine Freundin. Für sie wirst du immer dieses Wesen sein, das ihr Wünsche gewährt, ganz gleich, was sie sagt oder was du gern glauben willst.
Sieh zu, dass du nach Hause kommst, mein Freund. Geh nach Hause, nach Caliban, damit du dein Leben wieder in den Griff kriegst. Ich rede mit den Ältesten, vielleicht sind sie nachsichtig mit dir. Ich erzähle ihnen einfach, dass du eine Situation falsch eingeschätzt hast und dich längst wieder ans Protokoll hältst und so weiter und so fort. Und du scher dich nach Hause .«
Er hat recht. Natürlich hat er recht. Er versteht es, denn er ist ein Dschinn, genau wie ich. Wie konnte ich mir bloß einbilden, dass ein sterbliches Mädchen begreift, was ich bin? Wie konnte ich mir einbilden, dass sie und ich, dass wir in nur fünf Tagen … Freunde werden könnten?
»Außerdem, diese Blumen liefern sich schließlich nicht von allein«, fügt der Ifrit grinsend hinzu. Ich bringe ein gespieltes Lächeln zustande, aber in meinem Kopf toben die Gedanken. Der Ifrit setzt noch hinzu: »Dies hier ist nicht deine Welt. Wir sind keine Sterblichen, die immerfort nach Vervollständigung suchen und sich das Herz brechen lassen dabei …«
»So ist das nicht«, schnappe ich. »Es ist einfach … ich weiß, dass ich ein Wünschegewährer bin und dass sie meine Herrin ist, aber zugleich ist es, als ob … es ist, als ob sie meine Freundin wäre.« Ich spreche die Worte nicht voller Zuneigung aus, sondern voller Verblüffung.
Sie ist meine Freundin.
»Na ja«, sagt der Ifrit und sieht angesichts dieser Behauptung sehr zweifelnd aus. »Was meinst du, was passieren würde – im bestmöglichen Fall? Sie wird dich vergessen, wenn du nach Caliban zurückkehrst, das weißt du. Oder glaubst du, sie wird keinen Wunsch aussprechen, und du kannst mit ihr zusammen hierbleiben? Dass sie dich für den Rest ihres Lebens über alles stellen wird, was sie sich wünscht? Noch besser, dass sie es den ganzen Rest ihres Lebens fertigbringen wird, niemals einen Fehler zu machen, nie aus Versehen irgendwas zu sagen wie ›Ich wünschte, es würde aufhören zu regnen‹? Du kannst nicht gewinnen. Am Ende wirst du doch wieder in Caliban sein. Sie wird dich vergessen. Was du auch immer glaubst, was für eine ›Freundschaft‹ ihr da hattet, sie wird vorbei sein. Beziehungen sind nichts für Unsterbliche. Ein Vogel und ein Fisch können sich vielleicht nacheinander sehnen, aber wo sollen sie leben?«
Ich lasse den Blick über den Park schweifen. Die Sonne beginnt über dem Teich am anderen Ende aufzugehen, und die Sterne verblassen in einem
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